Zwischenrufe, Applaus, Pfiffe – Zutaten für eine emotionale Diskussion gab es reichlich beim Hannoveraner Verband. Der öffentlichen Diskussion über die Arbeit des untereinander zerstrittenen geschäftsführenden Vorstands, der Schaltstelle des Verbandes, waren Indiskretionen und Anschuldigungen im Internet vorangegangen. Auslöser: 170.000 Euro, die nach einem Geschäft mit einem Iraner noch ausstehen. Ein öffentlicher Handschlag am Ende sollte den Zwist in der Führungsriege des Hannoveraner Verbandes symbolisch beenden.
„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Holstein II werden“, warnt einer von ca. 300 Hannoveraner Züchtern, der der Einladung nach Verden gefolgt ist. Im Forum, dem Veranstaltungsraum der Niedersachsenhalle beim Hannoveraner Verband, erntet er dafür Applaus. Dabei ist die Gemengelage etwas anders: In Holstein haben die Züchter gegen eine gewisse Selbstbedienungsmentalität einiger ehrenamtlicher Vorstandsmitglieder aufbegehrt, die in letzter Konsequenz zum angekündigten Rücktritt des gesamten Vorstands geführt hat. Dass mittlerweile einige Holsteiner Vorständler mit einer Neu-Kandidatur liebäugeln, steht auf einem anderen Blatt Papier. Gemeinsam ist beiden Diskussionen vor allem eines: In der Öffentlichkeit geben die beiden großen norddeutschen Pferdezuchtverbände derzeit ein schlechtes Bild ab.
Fehlbetrag beim Hannoveraner Verband: schlechter Iran-Deal
Beim Hannoveraner Verband in Verden ist es die Arbeit im Vorstand, die diskutiert wird. Hartmut Wilking, zweiter Vorsitzender des Hannoveraner Verbands und damit qua Amt Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Zuchtverbands, behauptet, ihm seien Informationen vorenthalten worden. Wilking ist bekannt als Mann, der keine Kontroversen scheut. Dadurch genießt er Sympathien in einem Teil der Züchterschaft.
Konkreter Anlass ist ein Geschäft mit einem iranischen Geschäftsmann. Der hatte vor ein paar Jahren eine Auktion mit Hannoveraner Pferden mit Unterstützung u.a. des Geschäftsführers Dr. Werner Schade und dem damaligen ersten Vorsitzenden Manfred Schäfer im Iran durchgeführt. Zunächst sah der „Iran-Deal“ wie eine vielversprechende Neukunden-Akquisition aus. Doch bei der Fortsetzung des Geschäfts – Pferde wurden auf Auktionen in Verden ersteigert und dann in den Iran transportiert, um dort erneut unter den Hammer zu kommen – kam es zu Ungereimtheiten. Die Pferde, obwohl erst zur Hälfte bezahlt, wurden in den Iran geliefert. Auf den Ausgleich von Kosten in Höhe von 170.000 Euro wartet der Verband noch heute. Mit diversen juristischen Ausführungen erläuterte Dr. Burkart Fischer, langjähriger Haus-Anwalt des Verbandes, den anwesenden Züchtern, dass das Verfahren, in dem versucht würde, das Geld aus dem Iran zu erhalten, noch nicht abgeschlossen sei.
Der damalige erste Vorsitzende und heutige Ehrenpräsident Manfred Schäfer ergriff ebenfalls das Wort. „Ich will mich nicht aus der Beteiligung herauslügen, ich war von Anfang an informiert.“ Und an Hartmut Wilking gewandt, stellte der Ehrenpräsident zur Causa Iran-Deal fest: „Hartmut, Du warst ja schon acht Jahre im geschäftsführenden Vorstand, Du kannst nicht sagen, dass das Thema nicht behandelt worden ist.“ Er habe kein harmonisches Verhältnis zu Wilking, sagte Schäfer. Dafür erntete er ein „Pfui!“ aus dem Publikum. Beides, Applaus und ablehnende Lautäußerungen, erhielt Schäfer für seine abschließende Frage: „Wie kann man im geschäftsführenden Vorstand sein und gegen den Verband handeln?“
Müssen die 170.000 Euro abgeschrieben werden?
Diese 170.000 Euro sorgen schon länger intern für Diskussionen im Hannoveraner Verbandsvorstand. In einem Brief vom 15. Januar 2019, der von vier Mitgliedern des erweiterten Vorstands unterzeichnet ist, heißt es, Informationen zu diesem Deal seien ihnen vorenthalten worden. Adressaten des Briefs, der schnell seinen Weg ins Internet gefunden hatte, waren die Delegierten der Pferdezuchtvereine. Einer der zentralen Absätze lautet: „Um dieses Thema zu klären, haben wir von Ende August bis Ende November 2018 mehrfach versucht über den 1. Vorsitzenden Hans Henning von der Decken Unterlagen (u.a. das gegen den Iraner erstrittene Urteil) zu bekommen. Mit der Begründung, dass die Mitteilung juristischer Einzelheiten und der Inhalt des Urteils für die Vorstandsarbeit unerheblich seien, wurden die Informationen verweigert.“ Die Unterzeichner sehen darin einen Satzungsverstoß.
Stellungnahmen zu Aussagen des Briefs: FALSCH!
Eigentlich hätten Vorstand und Geschäftsführer bei dieser Art „Regierungserklärung“ zum Auftakt des Jahres die Erfolge aus 2018, allen voran den Hengstmarkt mit dem Millionenverkauf, feiern wollen. Stattdessen wurde nun gut zwei Stunden zum Auftakt der Veranstaltung über „den Brief“ gesprochen. „Richtigstellung“ war die Überschrift. Erst anschließend rückten Balkendiagramme mit der Anzahl dreijähriger Staatsprämienanwärterinnen aus 2018 ins Interesse.
Zentrale Sätze mit Anschuldigungen wurden per Beamer an die Wand projiziert. Geschäftsführer Dr. Werner Schade, Präsident Hans Hening von der Decken und Justiziar Dr. Burkart Fischer nahmen Stellung. Zum Ende einer jeden Stellungnahme – Nachfragen und Diskussionen erbat sich das Podium erst nach der Präsentation – flatterte das Wort „FALSCH“, rot, in Großbuchstaben und mit einem Ausrufezeichen versehen, über die jeweilige Textpassage.
Emotional wurde dennoch diskutiert, auch schon im Verlauf der Präsentation. „Sind Sie der Vorsitzende oder ich?“, fragte Vorsitzender von der Decken auf Unmutsbezeugungen aus dem Kreise der Zuschauer. Er schlug auch schon einmal vor, Dinge „bei einem Bier im Anschluss“ zu diskutieren. Schlecht sah der Sohn des ehemaligen Verbandsvorsitzenden Herwart von der Decken aus, als ihm die Anwältin des „Revolutionärs“ Wilking aus einem Schreiben zitierte, wonach „die Kenntnis des Urteils“ für ihren Mandaten „unerheblich“ sei. Der Vorsitzende fragte, wer dieses Schreiben unterzeichnet habe. Die Anwältin daraufhin: „Sie!“ Von der Deckens Antwort fiel wenig präsidial aus: „Ach die ganzen Schreiben“, die er zum Unterzeichnen bekäme …. Da es immer wieder um die komplexe Satzung ging, wünschte sich von der Decken abschließend, die Satzung „kurzfristig in 2019“ zu erneuern.
Widersprüchliche Aussagen von Wilking
Im Verlauf der Aussprache stellten sich vor allem zwei Dinge heraus: Wilkings Aussage, wonach ihm ein Einblick in das Urteil nicht gestattet worden sei, stimmt wohl nicht. Damit erscheint ein zentraler Ausgangspunkt des Schreibens an die Delegierten in einem anderen Licht. Wilking selbst gab zu, man habe ihm auf einer Zusammenkunft in Uelzen angeboten, das Schriftstück zu lesen. Das habe er aber abgelehnt. „Das war so zwischen Hauptgang und Dessert (…) 11 Seiten!“
Was aber noch deutlicher wurde: Es gibt zwei Lager. Nicht nur im Vorstand des Hannoveraner Verbandes, sondern auch unter den Delegierten. Das Spektrum der Diskussionsbeiträge war breit gefächert. Sie zeugten neben unterschiedlichem Verständnis von Kommunikation, „du mit deinen E-Mails, die liest eh nur meine Frau“, über persönliche Anfeindungen, „Nestbeschmutzer“, „unwürdig eines zweiten Vorsitzenden“, „ich möchte wissen, wie wir Herrn Wilking loswerden“, über selbstbewusste, wenn auch konträre Wahrnehmung der Vorstandsarbeit, „herausragende Arbeit im Team, um das Beste für die Züchter zu erwirken“, bis zum Duktus des ausrechten Kämpfers, „wir stehen für lückenlose Aufklärung“, „die Leute, die hier aufklären wollen, sind jetzt die A…löcher – hallo?“
Dampf abgelassen wurde reichlich. Geschäftsführer Dr. Werner Schade brachte es so auf den Punkt:
Die Wahrnehmung des Hannoveraner Verbandes ist miserabel. Die Leute lachen sich kaputt.
Das sei aber vor allem eine Debatte, die im Internet stattfände. Bei seinem Kontakt „im Land“, wo er viel unterwegs sei, spielte die Diskussion kaum eine Rolle. Wie weit die Charaktere, die als gewählte Vertreter über die Zukunft des Hannoveraner Verbandes (mit-) zu entscheiden haben, auseinanderliegen, machte die Suche nach einem Ausweg aus dem Dilemma deutlich. Während ein Vorschlag lautete, man solle eine neutrale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Bewertung des Iran-Deals betrauen und einen Mediator bitten, mit dem geschäftsführenden Vorstand zu tagen – Antwort Geschäftsführer Dr. Schade, „Mediator hatten wir schon“ – gab es auch rustikalere Ansätze, Ruhe in Vorstand und Züchterschaft zu bringen: „Holt mal ’ne schlanke Kellnerin und dann soll die mit ner Runde Kurze durche Reihe gehen“. Dieser Forderung, Mediation per Schnaps, wurde genauso Folge geleistet, wie der damit verbundenen Bitte, Wilking und von der Decken mögen sich bitte öffentlich die Hand reichen. Zu diesem Handshake kam es dann auch. Doch der Eindruck, damit herrsche wieder Ruhe im größten deutschen Warmblutzuchtverband, der konnte damit nicht vermittelt werden.nike air jordan 1 outlet | cheapest air jordan 1 mid
[…] Quelle: st-georg.de […]