Es war ein Weltmeisterschaftsfinale der fünfjährigen Dressurpferde, das einen mit gemischten Gefühlen zurücklässt – Freude über tolle Pferde, aber teilweise auch Entsetzen über die Reiterei und vor allem darüber, dass dies dann auch noch belohnt wird.
Das war ein großer Tag für Pferdezüchterin Hanne Lund aus Dänemark – eine Weltmeisterschaft, zwei Pferde am Start – und dann auch noch zwei Schwestern aus demselben Jahrgang, Embryotransfer macht’s möglich –, zwei Medaillen und als Sahnehäubchen der Titel. Mehr geht nicht. Die beiden sind kein Zufallstreffer. Als Hanne Lund sich entschloss, ihre Stute Rapitala v. Romanov Blue Hors-Solos Carex mit dem dänischen Fürst Heinrich-Caprimond-Sohn Fassbinder anzupaaren, gehörte ihr dieser. Allerdings wurde er dann gelegt und als Sportpferd nach Großbritannien verkauft, weil der Stutenzulauf sich in Grenzen hielt. Wenn das jemand geahnt hätte … Lund hat noch Samen des Hengstes, und weitere Kinder der Erfolgskombination Fassbinder x Rapitala sind unterwegs. Wenn die alle so werden, wie die beiden Schwestern Fiontini und Fiontina, kann der dänische Warmblutzuchtverband mit leuchtenden Augen in die Zukunft blicken. Heute hat er auf jeden Fall schon mal Geschichte geschrieben als erster Verband, der zwei Vollschwestern aus demselben Jahrgang auf einer WM präsentierte.
Was interessant ist: Obwohl die beiden Vollschwestern sind, haben sie – außer der hervorragenden Grundqualität – kaum Gemeinsamkeiten. Die eine ist fuchsfarben, hochgewachsen, rank und schlank mit energiegeladenen Bewegungen, die andere braun, eher wuchtig, aber eine leichtfüßige Tänzerin, wenn sie sich in Trab setzt. Siegerin wurde letztere, Fiontini v. Fassbinder-Romanov Blue Hors unter Andreas Helgstrands Stalljockey Severo Jesus Jurado Lopez aus Spanien. Die Stute zeigte sich heute deutlich verbessert im Vergleich zur Qualifikation. Bis auf einige Momente gab es keine gespannten Tritte, sondern reelles Schwingen durch den Körper. Die Bewegungen waren heute deutlich besser im Fluss als noch in der Qualifikation. Um es mit den Worten von Dr. Dietrich Plewa zu sagen, der heute als Richter und Kommentator in Personalunion fungierte: „Wenn man etwas bemängeln wollte, dann dass sie im Arbeitstrab etwas mehr unterfußen könnte. Aber das ist auch alles. In den Trabverstärkungen und auch in den versammelten Reprisen hätte sie auf jeden Fall die Höchstnote verdient.“ Die gab es heute nicht, stattdessen die 9,8.
Der Schritt ist die schwächste Grundgangart der Stute, allerdings immer noch im guten Bereich (8,0). Ein Highlight ist dann wieder die Galopparbeit: 9,1. Als er zum letzten Mal auf die Mittellinie abbog, brandete bereits der Applaus auf und auf Severos Gesicht breitete sich ein Strahlen aus, das der Sonne seiner Heimat zur Ehre gereicht hätte. Die Stute war noch nicht ganz zum Halten gekommen, als ihr Reiter schon die Arme in Jubelpose in die Höhe riss. Wie er später bestätigte, hatte er schon nach der Hälfte der Aufgabe das Gefühl, sich entspannen zu können. „She was always with me!“ – „Sie war immer bei mir“, erklärte er. Und das sah man auch – die einfachen Wechsel gelangen geschmeidig, das Kurzkehrt in der sehr schwierigen Aufgabe war gehorsam und fleißig, die geforderte Dehnung beim Zügel aus der Hand kauen lassen klar zu erkennen – 9,6 für die Durchlässigkeit. Für den Gesamteindruck und die Perspektive als Dressurpferd gab es die 9,4. Machte unter dem Strich eine 9,18 und die Goldmedaille. Für Severo Jurado war es das erste Turnier dieser Größenordnung und er kam aus dem Grinsen nicht mehr heraus.
0 Kommentare
Schreibe einen Kommentar