Damit war nicht zu rechnen. Hans Peter Minderhoud und My Toto waren 17. in der Qualifikation, erstes Paar im Finale bei strömenden Regen und am Schluss, als die Sonne herauskam, konnten sie sich als Weltmeister feiern lassen.
„Hans Peter, ich glaube, du brauchst jetzt erstmal eine heiße Dusche“, merkte Richterin Ulrike Nivelle an, als Hans Peter Minderhoud und My Toto als erstes Paar im Finale der Sechsjährigen bei den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde ihren Ritt beendet hatten. Tatsächlich waren Pferd und Reiter regendurchweicht. Aber es hatte sich gelohnt: 88,60 Prozent gab es, deutlich mehr als in der Qualifikation, wo sie mit 81 Prozent nur 17. gewesen waren. Das kleine Finale gestern gewannen sie schon mit 87,60 Prozent und heute konnten sie noch einmal eine Schippe drauflegen.
My Toto ist ein eleganter, sehr zarter KWPN-Wallach, der als Rappe mit Blesse an Total U.S. von Edward Gal erinnert. Auch in diesem Pedigree spielt Totilas eine Rolle, als Großvater über Toto Jr. Die Mutter stammt ab v. Voice. Verantwortlich für die Anpaarung sind Aat Both und Lida Both-Van Loef von der Miga Horses B.V., die auch noch als Besitzer eingetragen sind.
Der Trab des Rappen ist elastisch mit sehr engagiertem Hinterbein, allerdings nicht immer natürlich locker durchschwingend und im gleichen Rhythmus. Die Richter lobten die Kadenz, aber merkten an, dass sie sich im Mitteltrab mehr Schub von hinten gewünscht hätten, das sei etwas eilig gewesen, 8,8.
Der Schritt war in den anderen Prüfungen der Schwachpunkt gewesen, im Takt, aber begrenzt in Vor- und Übertritt. Dafür war er sehr fleißig und das auch in der Versammlung. Darauf haben die Richter (zu recht) heute großen Wert gelegt und das war ihnen bei My Toto eine 8,5 wert.
Eine 9,5 gab es im Galopp. „Das Highlight“, wie Nivelle sagte, „weg vom Boden, aktiv und bergauf.“
Für die Durchlässigkeit gaben sie trotz nicht immer gleichmäßiger und häufig enger Anlehnung eine 8,5. Positiv seien die gelungenen Schrittpirouetten ins Gewicht gefallen. Abzug habe es für den Wechsel gegeben, der nicht auf die Hilfe kam.
Die Perspektive sah die Jury als „sehr gut“ an, 9,0. Machte 88,6 Prozent in Summe, das beste Ergebnis der beiden an diesem Wochenende und schlussendlich auch in der Prüfung, was sie freilich zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnten.
Die heiße Dusche musste wohl warten. Als erstes Pferd nach der Pause musste Minderhoud sein zweites Pferd vorstellen, Massimo, ebenfalls ein Toto Jr.-Sohn aus einer Bretton Woods-Mutter (Z.: M. Van Cortenberghe), der heute allerdings nicht über Rang 15 hinauskam.
Erneut Silber für Vitalos
Wie im Vorjahr wurde es Silber für den beeindruckenden Hannoveraner Hengst Vitalos v. Vitalis-De Niro aus der Zucht von Josef Bramlage, vorgestellt von Leonie Richter für die Hengsthaltungen Schockemöhle und Helgstrand. Der Dunkelfuchs verfügt über schier unbegrenzte Bewegungsmöglichkeiten, schien aber vor allem in der Trabtour heute recht stark in der Anlehnung zu werden und war immer mal wieder leicht nach rechts verworfen. Im Galopp wurden die Sprünge hinten bisweilen kurz. Da muss der Hengst auf Dauer noch mehr durch- und den Galoppsprung runder über den lockeren Rücken zu Ende springen. Drei fliegende Wechsel waren sauber, einer nicht auf die Hilfe.
Im Trab lobten die Richter unter anderem die natürliche Balance, 9,2. Im Schritt mahnten sie an, dass die Aktivität in der Versammlung erhalten bleiben muss, 8,5. Für den Galopp in „klarem Dreitakt und mit Bergauftendenz“ gaben sie 8,7. Eine ausgeprägtere Schwebephase hätten sie sich hier gewünscht, „um die Versammlungsfähigkeit zu verbessern.
Die Richter fanden die Anlehnung gut und lobten Balance, Stellung, Biegung und Fluss in den Traversalen, merkten aber auch ein Verwerfen im zweiten Schulterherein an. In den Schrittpirouetten hätten sie sich mehr Aktivität gewünscht. „Dennoch 8,8“, sagte Nivelle und fuhr fort mit einer glatten 9 für das „Pferd mit Perspektive, Eleganz und natürlicher Balance“. In Summe waren es damit 88,4 Prozent, 0,2 weniger als bei My Toto.
Bronze für Zuperman
Wenig Turniererfahrung brachte der Oldenburger Hengst Zuperman v. Vincent Maranello-Destano (Z.: Stefan Tietje) mit nach Ermelo. Er ist auf der Hengststation Hoffrogge im Deckeinsatz, Beatrice Hoffrogge ist seine Reiterin und Besitzerin. Der imposante Dunkelbraune musste die gesamte letzte Saison wegen eines Augenproblems pausieren. In Ermelo meldete er sich mit einem Paukenschlag zurück. Die Aufgabe für die Sechsjährigen ist schwierig. Vier fliegende Wechsel, recht dicht nacheinander und das dann mit einem Riesengalopp wie dem von Zuperman, das ist eine Herausforderung an die Balance des Pferdes und das Können des Reiters. Der waren Hoffrogge und ihr Hengst heute gewachsen.
Für den Galopp kann man nur hohe Noten geben. Mehr Schwungentfaltung, Schwebephase, Abdruck, Durchsprung und Bergauf geht kaum. Eine 9 wurde es heute. Dass Beatrice ihrem Pferd in den fliegenden Wechseln noch etwas helfen musste (was perfekt funktioniert hat, alle waren durchgesprungen), merkte die Jury in der Durchlässigkeitsnote an. Hier floss auch ein, dass sie sich im Mitteltrab mehr Schub und insgesamt mehr Biegung gewünscht hätten. 8,8 wurde es dennoch.
Im Trab lobte die Jury Aktivität und Balance, 8,8. Im Schritt hätten sie sich mehr Lastaufnahme in der Vorbereitung auf die Pirouetten gewünscht, 8,0. Für die „Super Perspektive“ gab es eine weitere 9. Endergebnis 87,20 Prozent und damit Bronze.
Die Vorjahressiegerin und mehr
Dass Victoria E. Vallentins Dänische Warmblutstute St. Paris v. St. Schufro-Rockefeller (Z.: Bente Børjesson) ein Pferd ist, dass die notwenige Sensibilität und Energie hat, um später mal im ganz großen Viereck ganz vorne eine Rolle zu spielen, war schon klar, als sie 2022 Weltmeisterin der Fünfjährigen wurde. Beides sind Eigenschaften von unschätzbarem Wert, die aber auch gemanagt werden wollen. Heute war die Stute wohl etwas zu „an“.
In der Trabtour (9,0) brillierte sie gewohnter Weise mit ihrer Leichtfüßigkeit, Eleganz und Geschmeidigkeit. Im Schritt gab es eine 8,0. Da hätten die Richter sich mehr Versammlung zwischen den Pirouetten gewünscht und mehr Selbsthaltung in der Versammlung.
Dann der Galopp. Zunächst ging alles gut, schöner Mittelgalopp auf der Zirkellinie, sehr guter erster fliegender Wechsel, der zweite nach links schon mit leichter Spannung. Dann der dritte fliegende Wechsel nach rechts aus der Kehrtvolte heraus. Spannung kam auf. St. Paris machte sich Luft, indem sie in der Vorbereitung auf Wechsel einmal energisch nach dem Schenkel ihrer Reiterin kickte. Das gleiche Spiel auch beim letzten fliegenden Wechsel. Aber auch hier war das eigentliche Umspringen wunderbar.
Victoria Vallentin nahm ihrer Stute die beiden Ungeduldsäußerungen offensichtlich überhaupt nicht übel. Dickes Lob für diese feine, elegante Stute, die sicherlich ihren Weg gehen wird. Aber die Richter mussten die Vorfälle in der Durchlässigkeitsnote berücksichtigen: 8,2. Für die Perspektive gaben die Richter nur eine 8,5. Das ergab 85,40 Prozent, Rang vier.
Den teilten die beiden sich mit dem KWPN-Hengst Mauro Turfhorst v. Zonik-Negro (Z.: Greve) unter Dinja van Liere. Der Rappe ist ein imposantes Bergaufpferd, dem man allerdings mehr Engagement von hinten wünschen würde. Dem Paar gelang eine fehlerfreie, harmonische Prüfung und der Jubel auf den Tribünen und bei der Reiterin war groß, als sie zum zweiten Mal gegrüßt hatten. Aber als dann die Noten kamen und die Richter immer wieder auf Energie, Schub und Aktivität zu sprechen kamen, breitete sich sichtlich Enttäuschung aus. Die Noten waren indes gar nicht schlecht: 8,8 im Trab, 8,0 im Schritt, 8,5 im Galopp, 8,6 in der Durchlässigkeit und 8,8 in der Perspektive. Aber man konnte Dinja van Liere ansehen, dass sie sich wohl mehr erhofft hatte.
Mit einer tollen Prüfung belegten Lena Waldmann und die hoch elastische, engagierte und motivierte Oldenburger Stute Chere Celine v. Governor-San Amour (Z.: G. u. G. Löwe) Rang sechs. Genau 84 Prozent waren es bei den beiden dank 8,5 im Trab, 8,8 im Schritt, 8,2 im Galopp, 8,0 für die Durchlässigkeit und 8,5 für die Perspektive.
Das Siegerpaar der Qualifikation, der schwedische Wallach Be Allex v. Ampere-Dalwhinnie und Jeanna Hogberg, musste sich heute mit Rang sieben zufrieden geben. Das lag vor allem am Schritt, wo die Versammlung heute nicht mehr klar im Takt war, von den Richtern mit einer 7,0 bewertet. 81,60 Prozent wurden es in Summe.
Alle Ergebnisse vom Finale der Sechsjährigen bei den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde finden Sie hier.
0 Kommentare
Schreibe einen Kommentar