Mit vier deutschen Pferden an der Spitze (eigentlich fünf) hätte das Finale der Fünfjährigen bei den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde 2018 aus Sicht der deutschen Pferdezucht kaum besser enden können. Auch wenn der Sieger inzwischen in Dänemark eingemeindet wurde. Das allerdings hat sich sein Reiter Andreas Helgstrand 1,2 Millionen Euro kosten lassen – von denen Weltmeister Revolution jeden Cent wert ist, wie er versicherte.
Keine Frage, wenn der Westfale Revolution v. Rocky Lee-Rouletto (Z.: Yasemin Yanik) los trabt, schaut man zweimal hin. Der langbeinige Braune ist super elastisch mit stets aktivem Hinterbein und einer beeindruckenden Mechanik. Allerdings war er nicht immer zufrieden in der Anlehnung, wurde zeitweise eng, kam dann aus dem Gleichgewicht und verlor etwas das Gleichmaß in der Trabarbeit. Da wünschte man sich mehr Selbsthaltung.
Der Schritt ist sicher geregelt mit gutem Raumgriff. Ein Highlight des Hengstes, den Andreas Helgstrand 2015 beim Hannoveraner Hengstmarkt in Verden für den Rekordpreis von 1,2 Millionen Euro ersteigert hat, ist der Galopp – kraftvoll bergauf mit deutlichem Raumgewinn, ausgeprägter Schwebephase und immer ausbalanciert. Was in allen Phasen erkennbar ist: die große Beweglichkeit des Hengstes im Körper. Die Richter sagten: „Wie eine Ziehharmonika.“ Dank dieser Eigenschaft kann Revolution seine großen Bewegungen auch ganz klein machen – wichtig, wenn es später an die hohe Versammlung geht. Das konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Übergänge von einer Gangart zur nächsten sämtlich auf der Vorhand waren. Dem gegenüber stand dann wieder ein tolles Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen, bei dem der Hengst sich aus dem Widerrist heraus nach vorne dehnte, ohne auch nur ein bisschen aus dem Takt zu kommen und an Elastizität zu verlieren.
Als Andreas Helgstrand zum letzten Mal auf die Mittellinie abbog, setzte der Applaus schon ein, noch bevor das Paar bei X zum Halten kam. Danach ernteten sie Standing Ovations. „Ein Rock Star“, kommentierte die Finnin Maria Colliander bei C. Für den Galopp zückten sie und ihre Kollegen eine glatte 10, ebenso für die Perspektive, wobei sie hier besonders die Versammlungsfähigkeit des Hengstes hervorhoben. Im Trab gaben sie eine 9,8, im Schritt eine 9,0 und für die Durchlässigkeit eine 9,3.
Stolze Züchterinnen
Revolution war das erste Pferd, das die Essenerin Yasemin Yanik aus ihrer Rouletto-Tochter gezogen hat. Die Stute kommt zwar aus einem Vollblutstamm, sei optisch aber eher „das Modell Barock“, so die Züchterin. „Aber sie hat einen starken Rücken und enorm Kraft im Hinterbein!“ Ihr Ziel bei der Anpaarung: „Ich wollte einen Hengst, der sich langbeinig vererbt.“ In dem Rockwell-Sohn Rocky Lee hatte sie zudem noch einen Hengst, der wie ihre Stute das gute Ramiro Blut-führte und über Muttervater Justinian xx ebenfalls viel Vollblut mitbrachte. Ein Jahr lang habe sie über die Anpaarung nachgedacht. Der Erfolg gab ihr Recht. Von den 1,2 Millionen, die Revolution gekostet hat, hatte sie selbst allerdings nichts mehr. Sie hat den Hengst vor der Körung verkauft. „Ich war halt Studentin …“ Mit anderen Worten: Sie brauchte das Geld. „Ich finanziere das ja alles selbst.“ Das ist auch heute noch so. Revolutions Mutter hat sie inzwischen einem anderen Züchter überlassen. Sie selbst hat aber noch zwei Halbgeschwister, einen vierjährigen Sohn von Daily Deal und eine dreijährige Tochter v. Fürsten-Look, mit der sie nun weiterzüchten möchte. Der nächste Revolution darf dann wohl etwas länger bleiben …
Apropos, Andreas Helgstrand antwortete auf die Frage, was der Hengst denn jetzt kosten solle: „Gute Frage! Er hat keinen festen Preis. Aber letztendlich sind alle unsere Pferde käuflich.“ Und dann wies der dänische Pferdehändler, an dessen Betrieb sich gerade ein Private Equity Fonds beteiligt hat, noch darauf hin, dass der Hengst ja nicht nur ein sportliches Talent sei, sondern auch „einen großen Wert für die Zucht“ habe … Fest steht für Helgstrand jedenfalls: „Revolution ist jeden Cent der 1,2 Millionen wert!“
Abgeläutet
Das mag ihn darüber hinweg trösten, dass er mit seinem ersten Pferd im Finale, dem Dänen Zhaplin Langholt v. Zonik-Stedinger (Z.: Ole Magnus Jensen, Bente Graasbøll), Vierter der Qualifikation, abgeklingelt wurde. Der Grund: Der Wallach hatte Blut am Maul. Er hatte sich beim Abreiten auf die Unterlippe gebissen. Das Team Helgstrand hatte dies bemerkt und um eine spätere Startzeit gebeten, was verwehrt wurde. Aber sämtliche Stewards inklusive des Chefstewards hätten gesagt, es sei kein Problem, er könne damit reiten, hieß es aus dem dänischen Lager. Im Viereck war er gerade das erste Mal an den Richtern bei C vorbeigekommen, schon wurde er abgeläutet.
Silber für Destacado
Ein Pferd, bei dem man heute wirklich von einer harmonischen Vorstellung sprechen konnte, war der Hannoveraner Destacado v. Desperados-Londonderry (Z.: Heinrich Gießelmann, Barver) unter Matthias Alexander Rath. Der Fuchs, der dreijährig Bundeschampion unter Pascal Kandziora gewesen war, präsentierte sich von seinen Bewegungen her nicht so spektakulär wie ein Revolution, dafür aber in jeder Phase wunderschön in Selbsthaltung, ganz durchlässig und geschmeidig sowohl in den Übergängen als auch auf den gebogenen Linien. Das sah im positiven Sinne schon sehr ausgereift aus und war trotzdem absolut altersgerecht mit sehr schöner Silhouette.
„Peotry in motion“, schwärmten die Richter und gaben eine 9,4 für die Durchlässigkeit, hoben auch deie gute Anlehnung und das schöne Seitenbild hervor. Im Trab hätten sie sich etwas weniger konservative Verstärkungen gewünscht, mehr Mut zum Risiko, lobten aber den Fluss in den Bewegungen und die Natürlichkeit. Der Schritt – „Wow! Wow! Wow! 10,0!“ Mehr braucht man dazu wohl nicht zu sagen. Als „funktional“ beschrieben sie die Galoppade von Destacado. Vielleicht könne sie etwas mehr bergauf sein, 9,4. Für die Perspektive (Mariette Sanders: „ein zukünftiges Grand Prix-Pferd!“) gab es die 9,7. Machte in Summe eine 9,48 und die Silbermedaille bei seinem ersten Dressurpferde-WM-Auftritt für Matthias Alexander Rath.
Bronze für Candy
Den deutschen Erfolg perfekt machte die Oldenburger Stute Candy v. Sir Donnerhall-Fürst Heinrich unter Eva Möller. Die Stute aus der Erfolgszucht der Familie Wendeln ist das zweite Kind der Stute C’est bon, das es zu den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde gebracht hat, aber das erste in den Medaillenrängen. Der ältere Bruder Sir Heinrich, gefragter Vererber im Landgestüt Warendorf, war zweimal Vierter im Finale und wurde sechsjährig Bundeschampion. Diese Schärpe hat auch Candy schon auf ihrem Konto. Im vergangenen Jahr ritt Hermann Gerdes sie in Warendorf zum Titel. Dann wechselte die Stute in den Stall von Helen Langehanenberg, die sie aber wegen ihrer Schwangerschaft nicht lange reiten konnte. Eva Möller übernahm und stellte nach ihrem heutigen Erfolg fest: „Ich hoffe, das war nicht Helens letztes Kind!“
Dabei wollte Candy, übrigens Sechste der Qualifikation, heute zunächst gar nicht ins WM-Stadion hinein. Möller musste sie rückwärts hineinbugsieren und auch das klappte nur mit Hilfe des Pflegers. Aber einmal im Viereck war Candy erstaunlich cool. Möller: „Ich habe das beherzigt, was die Richter in der Qualifikation bemängelt hatten. Da war es ihnen ein bisschen zu eilig. Darum habe ich es heute ruhiger angehen lassen.“ Auch mit gebremstem Schaum begeisterte die elegante zierliche „Ballerina“ (so die Richter) mit ihrer Elastizität und Aktivität, das Hinterbein stets aktiv unter den Körper arbeiten. Für eine wirklich gute Trabverstärkung muss ihr Hinterbein noch mehr zum Tragen kommen, aber alle Anlagen sind da. 9,8 gaben die Richter. Im Schritt gab es eine 8,6, im Galopp eine 9,4. Dieselbe Note gab es auch für die Durchlässigkeit, ein Bereich in dem die Richter besonders die gute Anlehnung im Trab lobten und das gute Kurzkehrt, einer der Prüfsteine der schwierigen Finalaufgabe für die Fünfjährigen. Zusammen mit der 9,7 für die Perspektive ergab das eine Endnote von 9,38.
Voller Erfolg für die deutsche Zucht
Das Finale der Fünfjährigen – von dem Sieger Andreas Helgstrand meinte, dies sei seine wertvollste Goldmedaille, weil das Niveau noch nie so hoch war – war vor allem aus deutscher Sicht ein voller Erfolg. Denn nicht nur die drei Medaillenträger, auch der Viertplatzierte stammt aus deutscher Zucht – wenn auch mit dänischem Vater: der Oldenburger Zucchero v. Zonik aus einer Mutter v. Prince Thatch xx (Z.: Hans-Heinrich Brüning) unter Frederic Wandres. Die ganze Prüfung zeichnete sich durch große Korrektheit aus mit dem Schritt als Highlight, wobei man sich im Trab wünschte, dass der Hengst ich mehr vom Gebiss abstoßen würde, so dass der Reiter mehr zum Loslassen käme. Das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen am Schluss der Aufgabe wurde kaum gezeigt. Die Richter gaben dem „charming horse“ eine 9,8 für den Schritt, eine 9,3 im Trab (positiv: Takt, Aktivität und Natürlichkeit, negativ: hinten links manchmal etwas breit), eine 8,7 im Galopp (mehr Untersprung), 9,1 in der Durchlässigkeit und 9,3 für die Perspektive. Machte in Summe 9,24.
Das Pferd auf Rang fünf ist zwar beim Selle Français eingetragen, führt aber ausschließlich deutsches Blut: Dorian Grey de Hus unter der Französin Jessica Michel-Botton, gezogen und im Besitz des Haras de Hus. Der Wallach ist ein Sohn des viel zu früh eingegangenen Don Juan de Hus aus der Poetin I Z v. Sandro Hit-Brentano II. Wie? Poetin Z? Ja, weil diese Stute ein in Zangersheide eingetragener Klon der Brandenburger Stute ist, die die P-Familie des HuL Neustadt/Dosse weltberühmt gemacht hat. Der Nachfahre, der hier in Ermelo am Start war, macht seinen Ahnen alle Ehre! Ein toller leichtfüßiger Tänzer ist dieser Fuchs, der auch ausbildungsmäßig auf dem richtigen Weg ist und von den Richtern mit 9,16 Punkten bedacht wurde.
Komplettiert wurde das Feld der deutschen Pferde in diesem Finale durch Devonport unter Rieke Schnieder. Der Hannoveraner Bundeschampion und Sporttestsieger v. Dancier-Ravallo (Z.: Christine Miesner) hatte in der Qualifikation nicht den besten Tag erwischt. „Wir waren da noch sehr beeindruckt von der Umgebung“, berichtete seine Reiterin. Heute war er sehr viel besser bei der Sache, aber mitunter schon fast zu offen und frei im Rahmen. Wertnote: 8,54.
Devonport, den Gerd Sosath bei jener Körungsauktion, auf der Revolution 1,2 Millionen gebracht hatte, für 30.000 Euro erwarb, hat gerade den Besitzer gewechselt. Er fährt nicht mehr zurück auf die Station Sosath, sondern direkt in den Stall Helgstrand. Dorthin ist er jüngst verkauft worden.
Züchterisches
Das KWPN hatte sechs Pferde im Finale, Deutschland insgesamt fünf, zwei Hannoveraner, zwei Oldenburger und einen Westfalen. Vier Pferde stellte Dänemark, eines das Selle Français. Am prominentesten vertreten waren väterlicherseits die Nachkommen des Krack C mit vier Pferden (einmal über United, dreimal über Vivaldi). Auch Jazz hatte vier Nachkommen im Rennen, drei waren es bei Ferro, zwei bei Donnerhall und jeweils einer bei Ramiro, Gribaldi und Sandro Hit.
Zwei Wahrheiten? Ein Kommentar
Die Verschnallung der Nasemriemen ist immer wieder ein Thema. Im vergangenen Jahr war es besonders ein Paar, bei dem das extrem ins Auge fiel. Dieses Jahr waren es gleich mehrere Pferden bei den rund ums Maul alles abgequetscht zu sein schien. Bei einem Gespräch mit dem Veranstalter wurde uns versichert, die Stewards hätten auf dem Abreiteplatz kontrolliert und seien auch eingeschritten, wenn die Verschnallung nicht korrekt war. Aber am besten sollten wir doch Har van de Venne als Zuständigen für den Abreiteplatz persönlich ansprechen. Das haben wir getan. Van de Venne versicherte, jedes einzelne Pferd sei vor und nach der Prüfung kontrolliert worden. Man habe sowohl bei Nasen- als auch bei Kinnriemen die Zwei-Finger-Regel angewandt und bei keinem Pferd habe es etwas zu beanstanden gegeben. Auch auf den Hinweis hin, dass wir aber aus seriöser Quelle gehört hätten, dass Reiter aufgefordert worden sind, die Verschnallung zu lockern, beharrte van de Venne darauf, alle seien kontrolliert worden, keiner negativ aufgefallen. Zehn Minuten später berichtete eine Kollegin, die ihn ebenfalls darauf angesprochen hatte, dass er nun gesagt habe, es seien Reiter aufgefordert worden, die Nasenriemen weiter zu schnallen. Ja, was denn nun? Die Stewards scheinen sich nicht im Klaren darüber zu sein, dass sie dem Sport mit solch widersprüchlichen Aussagen keinen Gefallen tun. Zumal einige Pferde in der Prüfung auch von weitem zu eng gezäumt zu sein schienen. Der Pferdesport wird zunehmend kritisch betrachtet. Das Verhalten solcher Stewards ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker – und in solch einem Fall haben sie Recht! Die Stewards haben einen äußerst verantwortungsvollen Job. Dessen sollten sie sich alle bewusst sein.jordan retro shoes mens release dates | Buy Nike KD IV 4 , Home – Wakeortho Shop
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