Claquere aller Länder vereinigt euch! Passend zum Auftakt der neuen Bundesligasaison ist das „Prinzip Ostkurve“ im Dressursport angekommen. Je lauter die Begeisterungsbekundungen der Zuschauer, desto besser die Bewertung der Ritte bei der Qualifikationsprüfung zur Weltmeisterschaft der sechsjährigen Dressurpferde. Holland war gut bei Stimme …
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass wer fünfjährig den WM-Titel gewonnen hat, auch als Sechsjähriger gute Chance auf einen erneuten Sieg hat bei der WM der jungen Dressurpferde. Mit dem Signum Doppelweltmeister laufen einige Pferde, bevorzugt Hengste durch die Gegend. Das weiß das fachkundige Publikum in Verden und das wissen auch die Richter. Und so sahen sie wohl den Ritt der Niederländerin Emmelie Scholtens mit dem KWPN-Hengst Astrix v. Obelisk durch einen leichten Schleier. In rosa, oder wie auch immer. Zumindest so, dass man zwar dass energisch abfußende Hinterbein des Vorjahressiegers erkennen konnte, aber den in der Trabtour eigentlich nahezu permanent verworfenen Kopf des Rappen hingegen nicht mehr. Als einziges erzielte der Hengst in allen Grundgangarten Noten über 9,0 (Trab, Galopp und Gesamteindruck: 9,2, Schritt: 9,5). In der Durchlässigkeit zogen die Juroren eine 8,7 exakt dieselbe Note, die der Vorreiter, der Deutsche Matthias Bouten mit dem Rheinländer Lezard v. Lord Loxley erhalten hatte. Und gerade dieser direkte Vergleich hätte eindeutig zu Gunsten des gestreckt sitzenden und fein einwirkenden jungen Mannes aus dem Stall von Isabell Werth ausfallen müssen. Bouten strahlt Ruhe aus, das überträgt sich auf sein Pferd. Lediglich ein kleiner Taktfehler war zu notieren. In der Trabverstärkung wünschte man sich noch etwas mehr Bergauftendenz, dafür zeigte der Fuchs wie kaum ein Zweiter die gewünschte Rahmenerweiterung, jeder Übergang wurde so geritten, wie es sein soll, von hinten nach vorne mit nahezu unsichtbaren Hilfen. Mit einer Endnote von 8,7 (Trab: 8,8, Galopp: 8,9, Durchlässigkeit; 8,7, Schritt: 8,3, Gesamteindruck: 8,8 Platz vier).
Die Richtergruppe mit der Dänin Susanne Baarup, dem Polen Dr. Wojciech Markowski, Mariano Santos Redondo und der Niederländerin Marietta Sanders van Gansewinkel richtete nicht immer nachvollziehbar. Schon bei der Beurteilung der Grundgangarten der einzelnen Pferde blieb das ein oder andere Fragezeichen: Da trabte ein Pferd gleichmäßig und gut, erhielt aber für einen mäßigen Schritt die beste Note.
Platz zwei ging an Presidents Avanti, einen mittelrahmigen, gefälligen Hengst v. United, den Laurens van Lieren für das Oranje-Team zeigte. Avanti macht viele Dinge richtig, hat einen guten Schritt (9,0), ging aber beim Rückwärtsrichten nicht diagonal (Durchlässigkeit: 8,8). Was ihm fehlt ist Bedeutung ein Hengst? Da guckt man zweimal hin. Sympathisch, praktisch aber ein Pferd auf dem Weg zum WM-Podest? Das wird das sonntägliche Finale zeigen.
Sollte es einen Sonderpreis geben für die ideale Darstellung junger Dressurpferde, dann hat trotz großer Konkurrenz eine Reiterin ihn schon jetzt verdient: Dorothee Schneider, die Ausbilderin aus Framersheim in Rheinland-Pfalz hat drei Pferde am Start und konnte nach Showtime, den sie gestern bei den Fünfjährigen auf Platz sieben ritt, nun auch dessen Halbbruder St. Emilion v. Sandro Hit und den Hannoveraner Horatio v. Hochadel ins Finale reiten. St. Emilion, ein Westfale aus einer Ehrenwort-Mutter, war Preisspitze der P.S.I.-Auktion und ging eine Runde wie fürs Lehrvideo: Geschmeidig in den Traversalen, selbstverständlich und sicher das Schulterherein, der zweite fliegende Galoppwechsel hätte mehr Ausdruck haben können, auch in der Trabverstärkung ritt Schneider nicht das Maximum aus dem Rappen heraus. Dafür war er stets in perfekter Anlehnung, ein tolles Seitenbild in jeder Phase der Prüfung, auch auf den gebogenen Linien. Der gute Schritt war den Richtern lediglich eine 8,0 wert, dafür waren sie im Galopp großzügig: 8,9. Durchlässigkeit und Gesamteindruck waren sehr gut 9,0. Auch der Ritt von Dorothee Schneider auf Horatio hatte viele dieser positiven Attribute, lediglich die fliegenden Wechsel sind noch nicht so sicher, der Hannoveraner war deutlich schief in dieser Lektion, den zweiten Wechsel sprang er vor der Hilfe. Insgesamt ist der Galopp die derzeit noch unausbalancierteste Gangart des Hochadel-Sohns. Mit 8,36 wurde der Rappe Achter.
Eine zweite Matinée? Die Kombination Schimmelstute und Andreas Helgstrand ist klar besetzt. Und so kam der Vergleich zu der WM Dritten der WEG von Aachen 2006 auch auf, als der Däne Andreas Helgstrand mit der dänischen Stedinger-Tochter Stamina früh am morgen in Führung gegangen war. Die Sandro Hit-Enkelin war schon im vergangenen Jahr ein viel diskutiertes Pferd: An ihrer exaltierte Trabtour schieden sich die Geister. In diesem Jahr ging die Stute weniger passageartig, allerdings immer noch mit viel Kadenz, war aber gleichmäßiger in der Anlehnung und erzielte für den Trab mit der 9,4 die Tageshöchstnote in dieser Grundgangart. Die Stute geht mit viel Effekt im Vorderbein, trotzdem aber bleibt ihre Kruppe hoch, was sich vor allen im Galopp zeigt (8,7), auch in der Trabverstärkung zeigte sie zwar Rahmenerweiterung, aber die hohe Kruppe ist auch hier nicht zu übersehen. Im Schritt ist sie übersichtlich (7,5), für gelungene fliegende Galoppwechsel und einen spanischen Ausfallschritt vorm Halten gab es eine Durchlässigkeitsnote von 8,8 insgesamt 8,64.
Das die Richter offensichtlich einen anderen Kanal angeschaltet hatten als viele Zuschauer, zeigte ihre Einschätzung des Flemmingh-Sohns Amazin Star. Der KWPN-Hengst, den Theodor Hanzon in mehr als flottem Tempo durchs Viereck steuerte, ging mit herausgestrecktem, tief angesetzten Unterhals. Eine Position, die es einem Rücken nicht gerade erleichtert, zu schwingen. Das zeigte sich im eiligen Trab aber auch im Galopp, der Schritt (8,1) haut niemanden um. Die Benotung des Pferdes dann allerdings doch: 8,8 für den Trab, 8,5 für den Galopp? da war er wieder dieser gewisse Nebel 8,42 bedeuteten Platz sechs für das niederländische Duo.
36 Pferde aus 15 verschiedenen Zuchtgebieten waren am Start. Sieben der Pferde gehen auf Rubinstein väterlicherseits zurück, sechs auf Donnerhall, vier auf Sandro Hit und drei auf Krack C. Sechsmal findet sich in den hinteren Bereichen der väterlichen Abstammung ein Trakehner. Wobei die zwei direkten Ostpreußen sich in der Prüfung nicht gerade mit Ruhm bekleckerten. Der für Dänemark startende Aston Martin v. Monteverdi wies massive Anlehnungsprobleme auf und arbeitete eigentlich zu keinem Moment reell über den Rücken. Und der ehemalige Siegerhengst Grand Passion war in üppigem Futterzustand erschienen. Der für Frankreich gehende Braune, einst ein Kandidat der Kasselmannschen Nobelauktion P.S.I., fiel im Trab komplett auseinander die Hinterbeine in weiter Ferne, die Sprunggelenke hoch.
Alle Ergebnisse finden Sie hier.
Über die weiteren direkt qualifizierten Teilnehmer für das Finale, Platz sieben bis zwölf, lesen Sie hier:
Im Kleinen Finale am morgigen Sonntag entscheidet sich, welche drei Pferde am Sonntag noch die Chance haben, im Finale den Weltmeistertitel zu gewinnen.
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