Die Weltmeisterschaften der sechsjährigen Dressurpferde 2015 waren ein bisschen so etwas wie die Schlacht der Giganten. Sezuan und Belantis, zwei Pferde völlig unterschiedlicher Machart und doch außergewöhnlicher Qualität, stellten nicht nur das eigene Talent, sondern auch reelle Ausbildungsarbeit zur Schau.
Die Chefrichterin Maria Colliander aus Finnland brachte es auf den Punkt: „Den Reiterinnen müsste man eigentlich eine 10 oder gar 11 oder 12 geben!“ Sie meinte damit die drei Erstplatzierten, Dorothee Schneider, Beatrice Buchwald und Kirsten Brouwer. Aber eigentlich kann man wohl für das gesamte Starterfeld sprechen. Negative Ausreißer wie gestern im Finale der Fünfjährigen gab es diesmal nicht. Stattdessen wurden alle Pferde recht ansprechend präsentiert und zeigten sich vor allem reif genug für diese schwierige Aufgabe mit vier fliegenden Wechseln, zwei halben Schrittpirouetten und der Kombination Schulterherein-Volte-Travers zur Mittellinie. Auch dafür fand Colliander die passenden Worte: „Sonst war es manchmal so, dass wir wunderbar talentierte und irgendwie unschuldige Fünfjährige gesehen haben, die dann aber mit dem Schritt zu den Sechsjährigen nicht klarkamen, wo sie sich versammeln müssen, Seitengänge und Fliegende Wechsel verlangt werden. Diese Pferde hier sind damit sehr gut zurecht gekommen!“, sprach’s mit einem Seitenblick auf die drei Medaillengewinnerinnen.
Belantis musste heute vor Sezuan aufs Viereck und präsentierte eine Runde, die schwer zu schlagen sein würde. Abgesehen davon, dass der dänische Warmbluthengst v. Zack-Don Schufro (Z.: Linette Jaeger) in der Qualifikation im strömenden Regen gehen musste und heute die Sonne vom Himmel lachte, zeigte er sich heute auch ansonsten klar verbessert. Die Trabtour war schon am Freitag spitze gewesen. Aber im Galopp war er damals noch etwas auf die Vorhand und damit hinter die Hilfen der Reiterin gekommen. Das war heute ganz anders. Kurz, er ging fantastisch, doch später mehr dazu. Festzuhalten ist hier nur, dass er mit einer Gesamtnote von 9,5 ordentlich vorgelegt hatte. Als sie das hörte war für Dorothee Schneider klar, dass sie was riskieren musste. „In der Quali bin ich auf Sicherheit geritten, ich wollte da fehlerfrei durchkommen. Als ich 9,5 hörte, wusste ich, ich muss was riskieren – nur vorne gibt’s Geld!“ Und so ritt sie dann auch. Allerdings nicht übertrieben. Man sah einfach, dass der Hengst im gewünschten Maß „an die Hand heranzieht“. So ist eines der Highlights bei dem Hengst die Anlehnung – immer gleichmäßig mit der Nase an der Senkrechten und mit gewünschter Rahmenerweiterung in den Verstärkungen. Der Hengst ist das Paradebeispiel relativer Aufrichtung, wie man sie sich wünscht. Daraus lassen sich fantastische Verstärkungen entwickeln, das wirkt sich aber vor allem auch auf die Seitengänge aus, die wunderbar fließend bei gleichmäßiger Frequenz der Tritte und geschmeidiger Stellung und Biegung gelangen – Trabnote: 9,7. Im starken Schritt marschierte der Hengst ordentlich los, ließ sich dann vor den Schrittpirouetten aber auch wieder versammeln. Wobei es da Dorothee Schneiders reiterlichem Können zu verdanken ist, dass er nicht anzackelte. „Er wurde ganz schön heiß“, gab Schneider nachher mit einem Lachen zu (Schrittnote: 9,1). Immer wieder erzählt sie, dass der Hengst es liebt, sich zu präsentieren und dass er vor Publikum noch einmal eine Schippe drauflegt. Eine ganz minimale Spannung war auch im Galopp insbesondere in den Wechseln zu erkennen. Aber wenn die einmal ausgereift sind, werden sie ganz sicher mit Höchstnoten bedacht werden. Der Hengst hat einen unglaublichen Galoppsprung, mit unwahrscheinlichem Abdruck in vollendeter Bergauftendenz. Aber er kann diesen Galoppsprung auch versammeln, schwärmt Schneider. „Mühelos“ war das Wort, welches Maria Colliander für Sezuans Galopparbeit benutzte. Und: „Ich wüsste nicht, was hier noch besser sein könnte, 10,0.“ Dieselbe Note gab es auch für den Gesamteindruck mit der Bemerkung: „Wir freuen uns jetzt schon auf das Wiedersehen mit diesem Pferd!“ In der Tat, Sezuan ist ein Pferd, das man so schnell nicht vergisst. Zumal er auch noch so reell und schön geritten ist, was ihm bzw. seiner Reiterin in der Ausbildungsnote eine 9,8 einbrachte. Machte die 9,72 in Summe und den verdienten Weltmeistertitel.
Jetzt hat Sezuan erstmal wieder ein wenig Pause. Sicherlich wird er im September noch einmal beim Turnier seiner Besitzer präsentiert, der Dressur Gala auf dem Gestüt Peterhof des Ehepaars Jasper-Kohl. Aber sonst wird er in Ruhe weitergearbeitet, wie Schneider erklärt. „Wir wollen ihn nicht so viele Turniere laufen lassen, nur so dass er nicht ganz raus kommt. Ansonsten schauen wir mal, wie sich die Winterarbeit entwickelt. Dann entscheiden wir, ob er im Nürnberger Burg-Pokal geht oder nicht.“ Einstweilen darf er dann noch ein bisschen auf der Rennbahn und der Weide spielen. Spaßprogramm gehört genauso zu seinem Alltag wie sein bester Kumpel Don Dinoso, der ihn überall hin begleitet. Der muss sich in Kürze wohl einen Auslandsreisepass zulegen. Möglichst einen, mit dem er 2020 auch in Tokio einreisen kann …
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