Nach mehrfachen Seitensprüngen von Warum Nicht in der Kür konnte Isabell Werth nur mit hauchdünnem Abstand ihren Titel sichern.
Als Isabell Werth nach ihrem Kür-Ritt aus dem Sattel stieg, suchte man vergebens nach dem üblichen breiten Strahlen im Gesicht der deutschen Nummer ein. Sie war sauer, weniger auf den zwölfjährigen Hannoveraners Warum Nicht, als auf die Tatsache, dass ein kleines weißes Gatterchen an der oberen Ecke ihrem Pferd missfallen hatte. Als dann auch noch ein übereifriger Ordner eine Plane mit einem großen Platsch vom Regenwasser befreite, war es um die Fassung des Weltmeyer-Sohnes geschehen. Er sprang fünf Meter in die Bahn und war im weiteren Verlauf der Aufgabe nur mit Mühe in die Ecke zu bewegen, in der er Ungemach witterte. Pferde sind halt auch nur Menschen, wie schön. Nach dem satten Vorsprung im Grand Prix reichte es dennoch für Isabell Werth hauchdünn zum Gesamtsieg und zum achten nationalen Titel: 150,700 Punkte standen nach beiden Prüfungen, Grand Prix und Kür, zu Buche, 150,092 für Silbermediallengewinnerin Heike Kemmer auf Bonaparte und 149,508 für DM-Dritte Nadine Capellmann auf Elvis, die, nach mäßigem Grand Prix mit Fehlern und Verspannungen nur auf Platz sieben, sich in der Kür mit der höchtbewerteten Vorstellung (78,804) quasi selbst wieder aus dem Sumpf zog und ihren Platz im deutschen Team beim CDIO Aachen rettete. Neben den drei genannten Damen wird Matthias Alexander Rath das Aachen-Team vervollständigen, er wurde auf Sterntaler mit 150,458 Prozentpunkten Deutscher Meister der Dressurreiter vor Klaus Husenbeth auf Piccolino (144,308) und Hubertus Schmidt auf Wansuela suerte (140,958). Bei gemeinsamer Wertung von Damen und Herren wäre er insgesamt Zweiter geworden.
In der gestrigen Kür zahlte es sich für Nadine Capellmann aus, dass sie Elvis nachmittags noch einmal hatte nacherxerzieren lassen. Mit besserer Maultätigkeit, weniger gespannt und weitgehend gehorsam konnte der Fuchs sein gewaltiges Gangwerk ausspielen. Energisch und schwungvoll ging auch Bonaparte unter Heike Kemmer, allerdings wirkte er häufig etwas aufgekröpft und eng. Whisper unter Monica Theodorescu, der im Grand Prix die beste Prüfung seines bisherigen Lebens abgeliefert hatte, ging wieder ordentlich, aber nicht brillant. Die Richter kreiden ihm vor allem die ungleiche Aktion der Vorderbeine an, das rechte schwingt häufig höher hinaus als das linke.
Matthias Rath präsentierte Sterntaler zu der Kür, die er von seiner Stiefmutter Ann-Kathrin Linsenhoff mit dem Pferd übernommen hatte. Für eine neue Kür war einfach keine Zeit, sagte der Student der Betriebswirtschaft, der zu Saisonbeginn noch nicht gewagt hätte, von Olympia zu träumen. Bis Aachen soll die Kür leicht verändert werden. Es sind klassische Rhythmen, vielleicht passte zu mir etwas Moderneres, aber meinem Pferd gefällt die Musik. Und das ist ja schließlich die Hauptsache. Die Schwäche in den Piaffen, die einzige des Paares, kaschierte Rath geschickt. Eine Piaffe legte er auf einer schrägen Linie an, die andere bei C mit Anlehnung an die Bande. Solide Leistungen zeigte Donatha unter Ellen Schulten-Baumer (76,251) und Anja Plönzke mit dem braven Trakehnerhengst Solero. Ein Paar, das man sich immer gerne anschaut. Das galt auch wieder für Responsible unter Helen Langehanenberg. Der geschmeidigen Rappstute fehlt vielleicht noch die höchste Versammlung und in Zeiten, in denen internationale Richter aufgemischte Strampler hochbenoten, tut sich ein Pferd mit naturbelassenem Bewegungsablauf vielleicht auch schwer.
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