In Prozentpunkten klingt es beachtlich, doch in Ziffern ausgedrückt, ist der Abstand der beiden führenden Dressurreiter aus den Niederlanden schier atemberaubend: 2075 Punkte (86,458 Prozent) erhielt Edward Gal mit Totilas, 94 Punkte weniger (82,542) seine Kollegin Adelinde Cornelissen mit Parzival im heutigen Grand Prix Special. Und erst nach 76 Zählern kam die Drittplatzierte, die Britin Laura Bechtolsheimer. Auch in der Mannschaftswertung war der Abstand enorm.
Seltsam das Wort vom Weltrekord, das so gern verwandt wird, wenn Totilas einmal mehr von den Richtern mit Zehnen überhäuft wird, blieb diesmal aus. Dabei hat der schwarze Hengst sowohl im Grand Prix als auch im Special persönliche Bestmarken gesetzt. 86,458 Prozent für einen Ritt, der in den Passagen sicherlich der beste war. Doch die Zehnen sitzen bei den Richtern locker, wenn Edward Gal in der Bahn ist für alles, was gezeigt wird. Der smarte Niederländer siehts gelassen. Das Pferd überrascht mich jedes Mal aufs Neue, dann fühlt er sich noch besser an, obwohl ich eigentlich dachte, das es besser gar nicht mehr geht. Zehnen für Passagen sind nachvollziehbar, doch die Scheu der Richter dem Wunderpferd auch mal für ziemlich gute Leistungen dann lediglich die entsprechende Note, sprich eine Sieben zu geben, ist ausgeprägt. Man rückt da wohl in die Nähe des Königsmörders, wer will das schon. So erhielt Totilas beispielsweise für seine Einerwechsel, die nie ganz spannungsfrei sind, hinten häufig ungleich weit durchgesprungen werden und in denen der Hengst konstant zu eng ging, auch noch Achten und für gute aber eben nicht annähernd perfekte Pirouetten zweimal eine Zehn. Insgesamt stand die Idealnote 25 mal in den Notenbögen.
Einen ihrer besten Ritte zeigte Adelinde Cornelissen mit Parzival. Von den vielen Unsauberkeiten, die sich in der Hallensaison eingeschlichen hatten, war nichts zu sehen. Die Hinterhand arbeitet wieder unter den Schwerpunkt in der Piaffe. Die Sprunggelenke kommen in der Passage besser unter den Körper und auch die extreme Rückenlage hat die Niederländerin wieder etwas eingestellt, wenngleich man immer noch den Eindruck hat, das handunabhängiges Reiten anders aussieht. Sicherlich ist immer ein Fragezeichen hinter der Versammlung, gerade im Galopp. Der ist recht frei, dafür aber gelingen entspannte, ausdrucksstarke Serienwechsel von Sprung zu Sprung. Auch hierfür gab es eine Zehn. Der Totilas-Hype hält an und vielleicht ist gerade Adelinde Cornelissen diejenige, die am meisten darunter zu leiden hat. Der Abstand von annähernd vier Prozent auf Gal war nicht gerechtfertigt. Vielleicht weiß das auch Edward Gal, der auf die Frage, ober er überhaupt jemanden in der Welt fürchte, mit geheimnisvollem Lächeln ja sagt.
Die Britin Laura Bechtolsheimer zeigte eine gute Runde, hätte wohl auch die 80-Prozentmarke geknackt (79,375), wenn sie in der Linkspirouette das Gaspedal gefunden hätte. Fand sie aber nicht. Die Folge: Schwungverlust, der allerdings nicht zu streng geahndet wurde (Noten von sechs bis acht). Die Zehnen fliegen der Britin allerdings nicht so zu, obwohl gerade die abschließende Mittellinie mit Passage, Piaffe und Passage wirklich super gelang, lediglich am Ende wurde Mistral Hojris etwas eng im Hals.
Zufrieden mit ihrem Pferd war Isabell Werth. Satchmo ist heute los getrabt wien Weltmeister, der er ja auch noch ist, im starken Trab. Früher habe er da Neunen bekommen, diesmal nur Achten. Isabell Werth sagt, sie habe kein Problem Vierte zu werden, aber den anderen werden die Zehnen hinterher geworfen, als ob die Skala bei einigen bis 15 reicht. Isabell Werth, ich bin jetzt ja die Mutti, die erfahrenste im jungen Team von Aachen mit Christoph Koschel und Donnperignon (74,333 Prozent/Platz 6), Matthias Alexander Rath und Sterntaler (72,583/9.) sowie der Einzelreiterin Anabel Balkenhol und Dablino (73,00/Platz 8), macht ihrem Ärger Luft. Wir sind alle professioneller geworden im Sport, jetzt müssen die Richter das auch sein. Sie will keine Richterschelte betreiben, aber die Entscheidungen der Juroren sorgen während der gesamten Tage schon für Unmut. Dabei wird in Aachen experimentiert, im Grand Prix wurde von sieben Positionen aus gerichtet, außerdem haben Supervisor die Möglichkeit, Noten nach unten zu korrigieren, beispielsweise wenn ein Richter einen Fehler nicht gesehen hat. Nach oben korrigieren dürfen diese Aufpasser jedoch nicht, so hat es das Dressurkomitee entschieden nun werden die Richtverfahren getestet. Und so lange auch nicht kommentiert, das machte Frank Kempermann, CHIO-Turnierchef und Vorsitzender des Dressurkomitees des Weltreiterverbandes (FEI) am Rande einer Pressekonferenz klar.
Die jungen Deutschen schlugen sich wacker. Christoph Koschel ritt etwas mehr auf Angriff als im Grand Prix, im Übergang von der Passage in den starken Trab nimmt sein Donnerhall-Sohn Donnperignon einmal das linke Vorderbein etwas höher bis er durchstartet, aber dann schepperte er richtig los. In der Passage zählt der Fuchs schon jetzt zu den besten Pferden im internationalen Sport, wird aber von den Richtern maximal mit Achten bedacht. Ein ärgerlicher Fehler unterlief Anabel Balkenhol, und Vater Klaus rutschte da dann auch ein knappes ach nee, was n Sch… über die Lippen, als Dablino nach einer sehr guten ersten Trabtour mit einem Durchschnitt von 79 Prozent und darüber nicht rechts sondern zunächst linkes angaloppierte. Das kostete wertvolle Punkte. In der Schritttour zeigte sich der Fuchs nicht voll losgelassen, was zu Lasten des Takts ging. Aber mit der ersten Piaffe nach dem versammelten Schritt war der Fuchs dann wieder voll da. Matthias Alexander Rath ritt sehr konzentriert und kontrolliert, lag zunächst sogar in der Zwischenwertung über 80 Prozent. Doch einmal mehr war es die letzte Piaffe, die kaum mehr als angedeutet wurde, so dass er am Ende dann doch noch viele Punkte verlor. Ruhig bleiben und weiter arbeiten, sei die Devise, so der Reiter nach der Prüfung.
Fünfte wurde Victoria Max-Theurer mit Augustin, der mit viel Ausdruck in allem, was im Trab stattfindet auftrumpfte. In den fliegenden Galoppwechseln allerdings mangelte es noch deutlich an Losgelassenheit, immerhin aber gelangen sie.
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