Hamburg: Hubertus Schmidt ist Dressur-Derbysieger

Von
Hubertus Schmidt und Wonder

(© Julia Rau)

Die Zutaten dieses Derbyfinals versprachen Spannung. Und genauso kam es auch. Hubertus Schmidt mit dem grundsoliden Fontane, der niederländische Anky van Grunsven-Schüler Aat van Essen und Vorjahressiegerin Kathleen Keller, deren Wonder wie schon im Vorjahr heiß lief und es den Reitern nicht einfach machte. Die drei Reiter in der Einzeldarstellung.

Hubertus Schmidt und Fontane v. Florestan
Im dritten Anlauf hat er es geschafft, nicht nur ins Finale, sondern auch auf Platz eins. Sein grundsolider Westfale Fontane war etwas aufgekratzt, kickte einmal nach dem Sporn im fliegenden Wechsel nach dem starken Galopp. Die Piaffen klebten am Boden, die Einerwechsel hätten mehr bergauf sein müssen. „Ich habe gestern ihn mit der Kür durcheinander gebracht, der war so aufgekratzt, so kenne ich ihn gar nicht“ (66,944 Prozent).

… mit Kathleen Kellers Wonder v. Werther
Vor dem Werther-Sohn von Kathleen Keller hatte Hubertus Schmidt im Vorfeld Respekt. Die Schritttour hatte er sich im Vorfeld anschauen wollen. Das tat er auch, ritt über die halbe Diagonale mit deutlicher Halsabstellung nach links, so dass der Schritt klappte, nicht ganz spannungsfrei, aber ohne anzuzackeln. Im versammelten Schritt hörte man den Reitmeister unentwegt auf den sensiblen Braunen einreden, „braaaav, fein, braaav“. Vor Prüfungsbeginn hatte Schmidt den Wallach frisch vorwärts geritten, dabei immer wieder die Hand nach vorne getan, um der bekannten Tendenz von Wonder, deutlich eng im Hals zu werden, entgegenzuwirken. Auch in der Prüfung musste Schmidt der Gehlust des Werther-Sohns immer mal wieder Einhalt gebieten, kam aber auch immer wieder dazu, die Hand wieder vor zu geben. Beispielsweise bei den Einerwechseln, die gut gelangen. Die Piaffen von Wonder sind so, wie sie sind – wie auch bei seiner Reiterin schafft es der Braune nicht wirklich taktmäßig und entspannt abzufußen. Da kann auch ein Reitmeister im Sattel nach fünf Minuten Vorbereitungszeit keine Wunder vollbringen. Aber 68,167 Prozent waren fast fünf Prozent mehr, als Kathleen Keller mit ihrem eigenen Pferd erzielte.

… mit Aat van Essens (NED) Premier v. Jazz
Der Jazz-Sohn, der im Schritt immer mal wieder hinten links so hochfußt, dass das Wort „Hahnentritt“ auf der Tribüne die Runde machte, ist eindeutig ganz anders geritten, als die beiden anderen Finalpferde. Aat van Essen, der unter anderem bei Tinneke Bartels und Anky van Grunsven geritten ist, reitet mit nach vorne gestreckten Beinen, tiefer Hand und eingezogenem Bauch – quasi das Gegenmodell zu Hubertus Schmidt gestrecktem, tiefem Sitz, dessen Erfolgsgeheimnis die Kreuzeinwirkung ist. Der Niederländer hatte schon im Vorfeld gesagt, dass sein Pferd in den vergangenen zehn Jahren lediglich zweimal für vielleicht fünf Minuten von seiner Schwester geritten worden sei, sonst habe niemals jemand anders auf dem Fuchs gesessen. Schmidt musste als Dritter in den Sattel des Jazz-Sohns und wusste schon, dass Kathleen Keller keinen einzigen Zweierwechsel hinbekommen hatte. „Das habe ich draußen geübt. Ich dachte, dass sei so ein ganz Heißer, weil Aat mit so wenig Bein reitet, aber als ich dann drauf saß habe ich erst gemerkt, dass das Einer ist, den man so ein bisschen buffen konnte.“ Deswegen hatte er auch nur einmal ganz kurz auf dem Abreiteplatz piaffiert. Das rächte sich in der erste Piaffe. Von Hubertus mit viel Ausdruck geritten, Beine, Oberkörper, Kopf – alles in Bewegung. Nur Premier nicht. Der stand, relativ unbeeindruckt von Schmidts Bemühungen, einfach da und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Die Serienwechsel gelangen und die letzte Piaffe klappte auch gut (63,778).

Total: 198,889 – Derbysieger
Aat van Essen (NED) mit Premier
Der Fuchs, der gestern die Kür gewonnen hat, ging eine sichere Runde. Das Paar kennt sich seit zehn Jahren, ist auf einander abgestimmt. Die Piaffen sind rhythmisch, die Übergänge in die Passage gleichmäßig, die fliegenden Wechsel zu zwei Sprüngen und von Sprung zu Sprung sind die besten des Sonntags: schnurgerade, im bergauf, gut eingeteilt. Auch die Pirouetten sind präzise. Auffällig wenig Biegung verlangt der Niederländer in den Vorwärts-seitwärts-Bewegungen von seinem Pferd, sowohl im Trab als auch im Galopp müsste das mehr sein. Im Schritt zuckt der Jazz-Sohn mehrere Male mit dem linken Hinterbein (71,556).

… mit Fontane v. Florestan
Oh Mann! Der solide Westfalenwallach und der Niederländer – zwei Welten treffen aufeinander! Und wie das so ist, wenn Galaxien aufeinandertreffen, es funktioniert nicht immer auf Anhieb. Es kann aber auch nicht klappen. Während Hubertus Schmidt seine langen Beine immer recht weit hinten einsetzt, streckt Aat van Essen den Schenkel nach vorn. Fontane fragt sich wohl, was ihm das sagen soll. Abschließend kann diese Frage auch bis zum Ende des Ritts nicht geklärt werden. Der Niederländer nimmt es mit Humor. er grinst als Fontane nach dem Reiterschenkel kickt, das Publikum lacht. Im Galopp sind die Unstimmigkeiten deutlich. Einmal schlägt der Wallach mit dem Kopf, die Zweierwechsel misslingen und als van Essen den Wallach schließlich auf der Diagonalen nach ein paar gelungenen Einerwechseln spontan den Hals tätschelt, lacht das Publikum und applaudiert spontan (57,944).

… mit Wonder v. Werther
Wie kommt der Niederländer mit dem „heißen Geschoss“ Wonder zurecht? Die Antwort: Es geht so, so leidlich. Auch dem Niederländer wird der Wallach zu eng. Die Zweierwechsel sind mit ein paar Wechseln zu drei Sprüngen gespickt, auch die Einer sind ein Abenteuer (58,444).

Total: 187,944 – Platz zwei
Kathleen Keller
… und Wonder v. Werther

Der Wallach hat große Augen, und was er nicht sieht, das hört er auch. Entsprechend elektrisiert kam das Paar in Viereck. Das Halten beim Gruß war kurz, Wonder ging während nahezu der gesamten Prüfung tendenziell zu eng im Hals. Im Schritt ließ Kathleen Keller die Zügel gleich lang, klopfte den Braunen, der so gut über die Diagonale kam. Die Pirouetten gelangen, der gröbste und teuerste Schnitzer unterlief dem Paar vor den fliegenden Wechseln von Sprung zu Sprung. Da trabte Wonder auf einmal und es brauchte etwas, bis Pferd und Reiterin wieder zu einer Einheit wurden.

… und Premier v. Jazz
Das Maul sollte ein Problem werden, das sah man schon vor Beginn der Prüfung. Premier sperrte, die Zunge war immer mal wieder zu sehen, auch während der Prüfung. Die erste Piaffe-Passage-Tour gelang gut, einmal schüttelte sich der niederländische Wallach etwas unwirsch, aber ansonsten lief die Trabtour noch ganz gut. Auch der Galopp zunächst OK. Die erste Pirouette nach einer Galopptraversale, die Keller ähnlich wie Premiers Reiter und Ausbilder van Essen mit wenig Längsbiegung angelegt hatte, zählte zu den besten der gesamten Prüfung. Aber dann. Die Hilfengebung für fliegende Galoppwechsel muss in den Niederlanden grundsätzlich anders sein, als in Deutschland. Keller mühte sich redlich Zweierwechsel zu reiten, doch Premier verstand so gar nicht, was das Reitsportmodel in seinem Sattel da von ihm wollte: Er galoppierte brav geradeaus auf der Diagonalen und dann im Außengalopp an der kurzen Seite weiter. Wechsel? Changement? Nee, dank u well! Auf der nächsten Diagonale gelangen zweimal zwei fliegende Wechsel (60,389).

… und Fontane v. Florestan
Das sah gut aus, wie die beiden herein kamen! Kathleen Keller musste Fontane als Dritte reiten. Der Wallach hatte das Genick oben, trug sich schön und das blieb auch so zu Beginn der Trabtour. Viel Ausdruck im starken Trab, geschmeidige Einleitung in die Traversalen. Die erste Piaffe etwas zu früh, aber vom Fleiß her die vielleicht beste, die der Westfale im Laufe des Finals zeigte. Auch der starke Galopp wurde nicht wie bei Schmidt und van Essen mit einem Schlag nach dem äußeren Schenkel beendet. Die Zweierwechsel gerieten etwas durcheinander, die fliegenden Galoppwechsel von Sprung zu Sprung aber waren dann wieder gut, in der Galopptraversale schlug der Florestan-Sohn, wie schon zuvor bei Aat van Essen, einmal mit dem Kopf. Kathleen Keller hatte das Problem aber schnell wieder im Griff (60,556).

Total: 184,778, Platz drei
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