Der Beschluss des Weltreiterverbandes, Medikamente im Wettkampf zuzulassen, mit denen auch kranke Pferde fit gemacht werden können, sorgt für Aufruhr. Der deutsche Reiterpräsident Breido Graf zu Rantzau schloss auch ein Fernbleiben der Deutschen von den Weltreiterspielen in Kentucky nicht aus.
Der Beschluss der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI), künftig bestimmte Medikationen bei Turnierpferden auch im Wettkampf zuzulassen, stößt auf immer größeren Widerstand. Der Präsident der deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Breido Graf zu Rantzau, kündigte während des Weltcupturniers in Stuttgart an, dass diese Regelung in Deutschland nicht umgesetzt würde, dass derzeit geprüft würde, ob dieser Beschluss überhaupt rechtlich Bestand haben wird und dass überlegt werde, ob unter diesen Bedingungen überhaupt eine deutsche Mannschaft zu den Weltreiterspielen in Kentucky 2010 reisen werde. Mit einer knappen Mehrheit von 53:48 Stimmen hatten die Delegierten aus mehr als 100 Reitsportnationen in der vergangenen Woche in Kopenhagen für eine Medikationsliste gestimmt, auf der einige gebräuchliche Substanzen fehlen, andere bis zu einer Obergrenze zugelassen sind (ST. GEORG berichtete). Das bekannteste Mittel ist Phenylbutazon, das nun in einer Dosis von 8mcg/ml Plasma oder Serum erlaubt ist, dreimal soviel wie vor dem Verbot von Buta in den 90er-Jahren. Fachleute sind sich einig, dass damit auch lahme Pferde fit für einen Wettkampf gemacht werden können.
Die Liste nannte sich Progressive List, also fortschrittliche Liste und wurde den Delegierten erst wenige Tage vor Beginn der Generalsversammlung per Email zugestellt. Bis dahin lag ihnen eine andere Liste vor, die weitgehend der Null-Lösung folgte mit Namen Current list. Nach Ansicht von Graf Rantzau wurden viele Delegierte durch die Bezeichnung irre geführt und konnten die Auswirkungen nicht abschätzen. Denn in vielen vor allem europäischen Ländern kollidiert diese Liste mit dem Tierschutzgesetz, außer in Deutschland auch zum Beispiel in Schweden und Frankreich.
Aktuell wird in diesem Zusammenhang auch der mögliche Fusion der europäischen Reiternationen zu einem eigenen Verband. In Kopenhagen schlossen sich die Europäer bereits zu einem lockeren Forum zusammen, aber daraus könne man jederzeit eine Federation machen, so Graf Rantzau. National wird die FN an ihrem eigenen Regelwerk festhalten, wonach ein Pferd im Wettkampf frei von wirksamen Substanzen sein muss. Diese Null-Lösung wirft in der Praxis einige Probleme auf. Sollen Reiter in kleineren Wettbewerben jetzt bestraft werden, währen die Großen auf internationalen Turniere ihre Pferde fit spritzen dürfen? Bei internationalen Turnieren auf deutschen Boden sind der FN die Hände gebunden: Die Proben werden von einem FEI-Team genommen und in Newmarket (Großbritannien) untersucht. Solange die Probe den FEI-Vorschriften entspricht, gilt sie als negativ und niemand erfährt, ob Substanzen darin enthalten sind, die womöglich im Heimatland des Reiters als Gesetzesverstoß gelten.
Top-Reiter Ludger Beerbaum erklärte, er könne nicht sagen, dass er über die Liste unglücklich sei. Nun könne man Pferd wie menschliche Sportler auch bei Turnieren unterstützen. Bundestrainer Otto Becker hielt sich bedeckt, verlangte aber auch, dass nur gesunde Pferde an den Start gegen dürfen. Vize-Europameister Carsten-Otto Nagel kritisierte die Freigabe einiger Medikamente, die Null-Lösung sei die saubere Variante.
FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach sprach von einem Desaster und einem deutlichen Rückschritt auf dem Weg hin zum sauberen Pferdesport. Das trifft noch aus einem anderen Grund zu. Denn waren bisher sämtliche Substanzen, die eine bestimmte Wirkung hatten, auf Knochen, Muskeln, Sehnen, Atmungsorgane etc., verboten waren, stehen auf der neuen Liste nun namentlich genannte Medikamente. Während in der früheren Formulierung alle, auch vielleicht bisher nicht nachweisbare Substanzen enthalten waren, ist alles, was nicht namentlich auf der Liste der verbotenen Medikationen steht, nun erlaubt. Ergänzungen müssen ein halbes Jahr vorher mitgeteilt werden, die Reiter und ihre Tierärzte können sich also rechtzeitig darauf einstellen und neue Mittel ausprobieren ohne Gefahr zu laufen, gegen die Medikationsvorschriften zu verstoßen.
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