Er sollte erholsam und entspannend sein, einen ins Land der Träume begleiten: der Schlaf. Doch wie schlafen unsere Pferde eigentlich und können sie überhaupt träumen? Zehn Fragen und Antworten rund um das Schlafverhalten von Pferden.
Futter, Wasser, Bewegung und Schlaf. Das sind essenzielle Grundbedürfnisse eines Pferdes. Nicht nur für die Leistungsfähigkeit eines Pferdes ist ausreichend Schlaf unabdingbar. Auch für die Psyche und das körperliche Wohlbefinden hat die Ruhezeit eine große Bedeutung. Schlafmangel verursacht Stress und kann Verhaltensänderungen auslösen. Das Pferd ist unruhig, schreckhaft und teilweise sogar aggressiv. Ein weiterer Hinweis auf Stress sind häufige Versuche des Pferdes sich hinzulegen, die dann immer wieder abgebrochen werden. Darunter leidet das Immunsystem, weshalb im späteren Verlauf oft gesundheitliche Probleme hinzukommen. Schlafmangel kann beispielsweise zu einer höheren Anfälligkeit für Koliken führen.
Deshalb ist es besonders wichtig, dass jeder Pferdebesitzer den Schlaf seines Vierbeiners kennt, um im Fall von Veränderungen schnellstmöglich reagieren zu können. Trotz der individuellen Schlafgewohnheiten lassen sich einige Aspekte der Ruhezeit generalisieren, wie Forscher herausfanden.
Wie lange schlafen Pferde?
Pferde schlafen meist zwischen drei und fünf Stunden pro Tag, in kurzen, verteilten Intervallen, dazu kommen ca. dreieinhalb Stunden tägliches Dösen. Das Dösen ist ein Stadium zwischen Wachen und Schlafen, meist auf drei Beinen, weil eines der Hinterbeine entlastet wird. So können Muskeln, Sehnen und Bänder des angewinkelten Beines entspannen. Nach einigen Minuten wird das Hinterbein gewechselt. Typisch sind außerdem halb oder ganz geschlossene Augen, eine entspannte Unterlippe und seitwärtsgestellte Ohren. Im Dösen nimmt das Pferd seine Umwelt wahr, zuckt mit den Muskeln oder schlägt mit dem Schweif. Es ist die Vorstufe zum SW-Schlaf. SWS steht für „slow-wave-sleep“. Die Atemfrequenz und der Herzschlag verlangsamen sich, das Gehirn ist inaktiv. Der SW-Schlaf kann im Stehen oder auf dem Brustkorb liegend ausgeführt werden. Die Pferde wachen bei dem kleinsten Geräusch auf und überprüfen, was los ist. Die dritte Phase im Schlafzyklus des Pferdes ist der REM-Schlaf („rapid eye movement“). Obwohl die Augen des Tieres geschlossen sind, zucken sie manchmal schnell. Kreislauf und Atmung werden zurückgefahren, das Gehirn ist aber weiter aktiv. Diese Art des Schlafs wird auch Traumphase genannt. Sie ist nur im Liegen auf der Seite möglich.
75 Prozent des Tages sind Pferde wach, 13 Prozent befinden sie sich im SW-Schlaf, 8 Prozent dösen sie und 4 Prozent machen den REM-Schlaf aus. Die meisten Tiefschlafphasen wurden zwischen Mitternacht und den frühen Morgenstunden beobachtet.
Schlafen Pferde lieber im Liegen oder im Stehen?
Pferde sind Fluchttiere. Das Fliehen ist natürlich einfacher, wenn sich das Pferd bereits im Stehen befindet. Für das Schlafen im Stehen besitzt das Pferd einen Mechanismus, die sogenannte „Spannsägenkonstruktion“ der Hinterhand. Knie- und Sprunggelenk sind durch zwei Sehnenstränge gekoppelt, wodurch das Pferd seine Kniescheibe absichtlich blockieren kann. Auch das Sprunggelenk wird so zum Verharren gebracht. Während sich das Pferdegewicht dann größtenteils auf diesem Bein befindet, entlastet es das andere Hinterbein auf der Hufspitze. Das Stehen ist auf diesem Weg fast ohne Muskelanspannung möglich. Das entlastete Bein wird nach fünf bis zehn Minuten gewechselt.
Während das Pferd beim Dösen und im SW-Schlaf stehen kann, ist dies im Traumschlaf nicht möglich. Der REM-Schlaf findet immer in der Seitenlage statt, die zur Muskelerholung sehr wichtig ist. Dabei sind der Untergrund und die Umgebung entscheidende Faktoren, wie zwei Tierärztinnen von der Universität München in einer Studie herausfanden. Einer der Hauptgründe, warum sich Pferde nicht hinlegen, ist Stress, beispielsweise nach einem Stallwechsel. Bei 36 Prozent war zudem die Liegefläche zu klein. In Offenställen stören zum Teil Rangordnungsprobleme oder sich ändernde Herden, in Boxenställen eine unruhige Umgebung. Außerdem legen sich Pferde seltener hin, wenn es keinen trockenen und sauberen Platz gibt.
Schlafen junge Pferde anders als alte Pferde?
Ausgewachsene Pferde ruhen etwa sieben Stunden am Tag, Fohlen und Jungpferde schlafen wesentlich mehr und benötigen mehrere Tiefschlafphasen. Insgesamt schlafen sie rund zehn Stunden, bleiben immer bei ihrer Mutter und bevorzugen die Seitenlage. Stutfohlen liegen dabei fast doppelt so lang in der Seitenlage wie Hengstfohlen. Das hohe Schlafbedürfnis nimmt nach ungefähr drei Monaten ab, genau wie das ständige Liegen. Alte Pferde legen sich oft nicht mehr hin, weil das Aufstehen schmerzhaft oder zu anstrengend ist. Bei diesen Pferden muss besonders darauf geachtet werden, dass sie genügend Ruhe bekommen, sie ausreichend Platz haben und der Boden angenehm zum Liegen ist. Je älter ein Pferd ist, desto kürzer sind auch die Schlafphasen.
Können Pferde träumen und schnarchen?
Forscher haben herausgefunden, dass die gemessenen Hirnströme bei Pferden denen der Menschen gleichen. Daraus lässt sich schließen, dass auch Pferde träumen. Diplom-Pferdepsychologin und Verhaltenstherapeutin Daniela Bühler: „Es gilt nicht als gesichert, ob Pferde träumen – man geht allerdings davon aus, dass es mit einiger Wahrscheinlichkeit wie bei Menschen abläuft.“ Vor allem bei Fohlen sind häufig Laufbewegungen im Tiefschlaf erkennbar. Vermutlich werden so neue Reize im Traum verarbeitet. Neben dem Bewegen von Gliedmaßen und Augen können Pferde im REM-Schlaf auch brummen oder sogar schnarchen. Dies tritt im Vergleich zu anderen Säugetieren allerdings seltener auf.
Schlafen Pferde bei Hitze schlechter?
Wenn der Mensch keinen Einfluss aufs Pferd nimmt, sind die Hauptruhezeiten des Pferdes am Vormittag, Mittag und in der Nacht. Ist es jedoch sehr warm bzw. heiß, dösen die Pferde häufig einen großen Teil des Tages im Schatten und verlegen alle Aktivitäten in die Nachtstunden, wenn die Temperatur abgekühlt ist.
Können Pferde besser schlafen, wenn ihr bester Freund bei ihnen ist?
In einer Herde halten Pferde während des Schlafs für gewöhnlich eine gewisse Distanz zu den anderen Pferden. Es konnte aber durchaus beobachtet werden, dass es auch Pferde gibt, die dicht beieinander liegen. Meistens sind es gute Freunde oder enge Verwandte. Auch bei den Pferden, die allein in ihrer Box stehen, ist der Kontakt zu einem „guten“ Nachbarn förderlich für einen erholsamen Schlaf.
Damit Pferde entspannen, brauchen sie Sicht-, Geruchs- und Hörkontakt zu Artgenossen. Kein oder ein ungeliebter Nachbar kann da schon einmal die Ursache für Schlafmangel oder Stress sein. Befreundete Tiere in der Nähe zu haben, kann also tatsächlich dazu führen, dass Pferde besser schlafen.
Schlafen Pferde nach der Bewegung besser?
In einer Studie wurde der Schlaf von Pferden gemessen, nachdem sie stark belastet und am Folgetag nicht belastet wurden. Unterschiedliche Ergebnisse konnten nicht festgestellt werden. Aus anderen Berichten geht hingegen hervor, dass Pferde, die viel arbeiten, länger schlafen würden als Pferde, die keiner oder kaum Belastung ausgesetzt sind. Zudem würden die Pferde mit einem hohen Arbeitspensum deutlich häufiger in der Seitenlage schlafen.
Haben Pferde einen Jetlag, wenn sie zum Beispiel zu einem Turnier in ein Land einer anderen Zeitzone fliegen?
Wenn Menschen durch mehrere Zeitzonen reisen, verspüren sie nach ihrer Ankunft oft Müdigkeit oder Schlaflosigkeit. Auch herabgesetzte Konzentrationsfähigkeit und weniger Appetit sind nicht selten. Ob Pferde auch einen solchen Jetlag bekommen? Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Bristol läuft das Phänomen bei Pferden anders ab. Die Forscher haben herausgefunden, dass der biologische Rhythmus eines Pferdes bei Reisen in eine andere Zeitzone anderen hormonellen Gesetzmäßigkeiten als bei Menschen unterliegt. Die hormonelle Anpassungsfähigkeit von Pferden läuft im Vergleich zum Menschen schneller ab. Verantwortlich ist das Hormon Prolaktin. Es wird freigesetzt und führt zu einer Reduzierung der Stressanfälligkeit. Und nicht nur das: Freigesetzte Hormone fördern die sportliche Leistung. So konnten britische Forscher beweisen, dass Rennpferde nach längeren Flügen sogar rund 25 Sekunden schneller galoppieren als zu Hause, ehe sie ermüden. 140 Pferde wurden untersucht, ihr Tag/Nacht-Rhythmus künstlich verändert. Der Organismus der Pferde passte sich praktisch sofort an. 14 Tage hielt der Effekt der Leistungssteigerung an, dann kehrte er wieder auf den alten Stand zurück.
Können die Schlafmuster von Pferden eine Frühwarnung für eine Krankheit sein?
In einer aktuellen Studie in England wollen Wissenschaftler herausfinden, ob Ruhemuster von Pferden frühzeitig auf eine Krankheit hinweisen können. Dafür analysieren sie Videos des Nachtverhaltens gesunder Reitschulpferde. Des Weiteren nutzen die Forscher der Nottingham Trent University Beschleunigungsmesser, die die Bewegungen der Pferde aufzeichnen. Sie untersuchen den Zusammenhang von Schlaf und den Faktoren Bewegung, Temperatur, Alter und Persönlichkeit. Kym Griffin, promovierte Pferdeforscherin an der School of Animal, Rural and Environment Sciences der Universität, sagt: „Wir hoffen, dass wir über mehrere Nächte hinweg Ruhemuster identifizieren können, die für einzelne Pferde einzigartig sind und was dieses Muster beeinflussen könnte.“
Weiter betont sie die Wichtigkeit des REM-Schlafs: „Wenn sie nicht den Schlaf bekommen, den sie brauchen, könnte es einen Grund dafür geben und es könnte ein frühes Zeichen dafür sein, dass etwas nicht stimmt.“ Nicht nur Reitschulpferde sollen in der Studie berücksichtigt werden, auch Rennpferde werden untersucht, „da das, was für eine Gruppe normal ist, möglicherweise nicht für eine andere Gruppe gilt“, begründet Griffin.
Was kostet eine Untersuchung im Schlaflabor?
Wenn der Verdacht auf Schlafmangel besteht, sollte das Pferd sowohl am Tag als auch in der Nacht beobachtet werden. Die Tierklinik Lüsche besitzt ein Schlaflabor, das erste in einer deutschen Pferdeklinik, das nicht zu einer Universität gehört, sprich der Forschung vorbehalten ist. Zu Tierärztin Dr. Christine Fuchs kommen die unterschiedlichsten Pferde. Einige sind völlig erschöpft, andere zeigen plötzlich unerklärliche Verhaltensmuster wie Koppen. Wiederum andere knicken z. B. beim Satteln mit den Vorderbeinen ein. Typisch, wenn der REM-Schlaf fehlt, sagt Dr. Fuchs. Wer eine Schlaflaboruntersuchung mit seinem Pferd anstrebt, sollte Zeit und Kosten nicht scheuen. 825 Euro netto kostet die Untersuchung inklusive 24 Stunden Kameraüberwachung, Auswertung und Bericht. Weitere Untersuchungen wie ein Blutbild werden separat berechnet. Beim Verdacht auf Schlafmangel sollte schnell gehandelt werden, denn je länger das Problem anhält, desto schwieriger wird die Therapie.
Dieser Artikel erschien zuerst in der St.GEORG-Ausgabe 11/2020. Autorin: Saskia Stelter
Interessant, vor allem er Part über Jetlag. das habe ich mich noch nie gefragt. Dafür weiß meine Tochter viel, sie hat ihr Pferd (Reitbeteiligung) sogar immer beim Schlafen fotografiert und danach das ganze analysiert. ich habe aus den Fotos Sticker gemacht und in ihr Arztbuch geklebt. Sie möchte nämlich Tierärztin werden. Das mit dem Jetlag hat sie aber auch überrascht.