Ataxie beim Pferd ist eine Störung des Bewegungsablaufs, bei der das Pferd seine Bewegungen nicht mehr in jeder Situation koordinieren kann. Die Ursachen dafür können vielfältig und schwer zu finden sein.
Eine Ataxie beim Pferd beschreibt einen Symptomkomplex, bei dem die Bewegungskoordination des Pferdes gestört ist. Typische Symptome einer Ataxie sind ein unsicherer und schwankender Gang, Gleichgewichtsstörungen (im Stand und Gang) und unkontrollierte Bewegungen. Die Auswirkungen der Störung sind abhängig von der Form und dem Schweregrad der Ataxie.
Pferd mit Ataxie – Symptome erkennen
In schwacher Form ist eine Ataxie schwierig zu erkennen. „Bei einer nur leichten Ataxie haben Pferde oft ein scheinbar besonders ‚schlaksiges‘, sehr schwungvolles Gangbild“, erklärt Tierärztin Carolin Gerdes. Unter anderem das macht eine abgesicherte Diagnose „Ataxie“ auch so schwierig. Denn es kann sich auch einfach um ein unausbalanciertes, muskulär unterentwickeltes (Jung-) Pferd handeln.
Zu dem bereits erwähnten unkoordinierten Gangbild, kann bei Ataktikern häufig noch ein Schwanken und Stolpern als Begleiterscheinung hinzukommen. Die sogenannte Hypermetrie, also übertriebene Bewegungen, ist ein weiteres Symptom bei ataktischen Pferden, welches zu einem exaltierten oder spastischen Gangbild führen kann.
Ein ataktisches Pferd bekommt von seinen Gliedmaßen ein reduziertes Feedback, wo diese sich befinden. Tierärzte sprechen von Defiziten in der Propriozeption. Im Allgemeinen kann nur die Vorhand, nur die Hinterhand oder alle vier Gliedmaßen von der Ataxie betroffen sein. Die Symptome der Ataxie ähneln denen von Lahmheiten des Pferdes. Wenn ein Pferd zum Beispiel auf beiden Vorderbeinen lahm geht, dann neigt es auch zum Stolpern und abnormalen Bewegungsabläufen. Nicht zuletzt sind ungewöhnliche Gangbilder auch bei Pferden zu beobachten, die von den Erkrankungen Shivering oder Hahnentritt betroffen sind.
Ausprägung von Ataxie: Formen der Erkrankung
In der Literatur wird bei den Ausprägungen von Ataxie mitunter zwischen „echter“ (neurologische Erkrankung) und „unechter“ Ataxie (osteopathische oder stoffwechselbedingte Erkrankung) unterschieden. Tierärztin Gerdes weiß aber: „In der internationalen Wissenschaft wird lediglich von ‚Ataxie‘ gesprochen.“ Denn wie der Begriff der Lahmheit, umfasst auch der Begriff der Ataxie einen Symptomkomplex, der ganz verschiedene Ursachen haben kann.
Jedoch können drei verschiedene Arten von Ataxie beim Pferd auftreten: die spinale Ataxie, zerebrale Ataxie oder zerebelläre Ataxie. Laut Gerdes ist die spinale Ataxie die häufigste Form. Diese Ataxie betrifft das Rückenmark des Pferdes.
SPINALE ATAXIE Die Spinale Ataxie beim Pferd wird durch eine Schädigung sensibler Nervenbahnen im Rückenmark hervorgerufen. Auslöser sind oft Verletzungen des Wirbelkanals, Knochenbrüche oder arthritische Veränderungen der Wirbelsäule. Besteht diese Einengung des Wirbelkanals schon seit Geburt an, wird vom „Wobbler-Syndrom“ beim Pferd gesprochen. In der Folge kommt es oft zu entzündlichen und degenerativen Veränderungen im Rückenmark. Sie können auch schon bei jungen Pferden auftreten. |
ZEREBRALE ATAXIE Die zerebrale Ataxie betrifft das Groß-, Mittel- oder Zwischenhirn des Pferdes. Diese Form von Ataxie kann durch Hirntumore, Schädelfrakturen (Traumata) oder Infektionen, wie Herpes oder Borreliose (borrelia burgdorferi) hervorgerufen werden. Des Weiteren kann auch ein Parasitenbefall im Gehirn oder eine Vergiftung eine zerebrale Ataxie beim Pferd auslösen. |
ZEREBELLÄRE ATAXIE Die dritte Art von Ataxie ist die zerebelläre Ataxie. Dabei liegt eine Schädigung des Kleinhirns (Cerebellum) vor. In Folge dessen kommt es zu einer Koordinationsstörung von Bewegungen, Gleichgewicht und der Eigenwahrnehmung der Gliedmaßen des Pferdes. Auch diese Art der Ataxie kann durch schwere Virusinfektionen, Parasiten, Vergiftungen oder Kopfverletzungen ausgelöst werden. Im Unterschied zur Spinalen Ataxie kann man die zerebelläre und zerebrale Ataxie im Stand sowie auch im Gangbild erkennen. |
Ursachen einer Ataxie
Der Grund für die Störung der Bewegungskoordination des Pferdes liegen Veränderungen im zentralnervösen System (ZNS) zugrunde. Das ZNS besteht aus dem Gehirn und dem Rückenmark. Beide Komponenten arbeiten zusammen und leiten Reize innerhalb des Körpers weiter. Diese Veränderungen bzw. Beschädigungen des Zentralnervensystems können durch vielerlei ausgelöst werden:
• Infektion durch Viren, Bakterien oder Parasiten (z.B. Borna, Borreliose oder Herpes)
• traumatische Erkrankung wie z. B. eine Fraktur
• degenerative Erkrankung (z. B. Arthrose der Facettengelenke in Bereichen der Halswirbelsäule
• neoplastische Umfangsvermehrung bzw. ein Tumor im Gehirn oder Rückenmark
• entwicklungsbedingte Erkrankung wie das Wobbler-Syndrom
• starker, langanhaltender Nährstoffmangel (z.B. Equinen Degenerativen Myeloenzephalopathie)
• Stoffwechselerkrankung (z. B. Hepatische Enzephalopathie (HE))
• Vergiftung
• erbliche Erkrankung (z. B. Cerebelläre Abiotrophie (CA))
Ataxie beim Pferd diagnostizieren
Die verschiedenen Erkrankungen, die eine Ataxie zur Folge haben können, macht die genaue Diagnose so komplex.
Auf jeden Fall bedarf es einer ausführlichen klinischen Untersuchung des Pferdes, denen neurologische Tests folgen sollten.
Carolin Gerdes
Neurologische Tests sind beispielsweise, das Pferd auf einem ganz engen Zirkel drehen zu lassen oder es rückwärts treten zu lassen. Dabei beobachtet der Tierarzt das Gangbild und die Koordination des Pferdes. „Ataktiker neigen dazu, auf ganz engem Zirkel mit der Hinterhand auszuschwenken“, so Gerdes. Rückwärtsrichten fällt Pferden mit Ataxie ebenfalls schwer.
„Gut zu beobachten ist ein gestörter Bewegungsablauf beim Pferd auch, wenn man sie plötzlich aus dem Trab oder Schritt anhalten lässt. Pferde mit Ataxie nehmen meist eine abnormale Haltung im Stand ein, bei der sie offen und häufig mit den Hinterbeinen weit auseinander stehen“, erläutert die Tierärztin. Ein gesundes Pferd würde in dem Fall seine Haltung von alleine korrigieren. Ein Pferd mit Ataxie bleibt einfach so stehen.
Ataktiker haben auch beim bergauf oder bergab gehen häufig Probleme sowie wenn sie auf wechselnden Untergründen laufen müssen. Die Anzeichen für Ataxie verschlimmern sich dann in der Regel.
Genauer Befund einer Ataxie beim Pferd schwer zu ermitteln
„Häufig kann man nicht abschließend klären, wo das Problem genau sitzt, welches die Ataxie beim Patienten verursacht“, berichtet Gerdes. Zum einen ist bei bestimmten Maßnahmen eine Vollnarkose nötig, die bei stark ataktischen Pferden gefährlich sein kann. Zum anderen mache die Größe von Pferden genaue Diagnosen im Becken- und Rückenbereich schwierig.
„In die Halswirbelsäule kann man beispielsweise ein Kontrastmittel geben und dadurch genauer die Probleme des Pferdes ermitteln. Aber der Spinalkanal im Rücken des Pferdes ist auch heutzutage noch schlecht einsehbar. Generell sind Erkrankungen des zentralnervösen Systems bei Pferden schwierig zu diagnostizieren“, so die Tierärztin.
Bei der ausführlichen Diagnostik fallen auch Kosten an, die im Verhältnis zu den Chancen auf Diagnose und Heilung individuell in jedem neuen Fall besprochen werden sollten.
SCHWEREGRAD DER ATAXIE (Modifizierte Skala nach Mayhew (1978)) | |
0 | normales Pferd |
1 | Pferd zeigt neurologische Defizite, verdeutlicht durch spezifisch neurologische Tests (z.B. Rückwärtsrichten) |
2 | Pferd zeigt auf der Geraden bereits im Schritt neurologische Defizite |
3 | Pferd zeigt auf der Geraden im Schritt deutliche Defizite, die auch von Laien erkennbar sind |
4 | Pferd schwankt und stolpert so stark, dass es droht, umzufallen |
5 | Pferd legt sich fest, kann nicht mehr alleine aufstehen |
Diagnose Ataxie: Behandlung der Störung der Bewegungskoordination
Einige Formen der Ataxie können therapiert werden. Ob es nach der Therapie noch für ein Leben als Reitpferd oder als Rentner auf der Weide reicht oder das Pferd doch erlöst werden muss, ist individuell unterschiedlich und von der Ursache der Erkrankung sowie vom Schweregrad abhängig.
Zunächst sollte stets etwas gegen die Ursache der Ataxie unternommen werden. Eine Borreliose im Anfangsstadium sollte man beispielsweise mit einer Antibiose bekämpft oder bei Arthrose mithilfe einer gezielten Cortison-Therapie Linderung verschafft werden.
Bei einer entwicklungsbedingten Erkrankung wie dem Wobbler-Syndrom können durch eine Operation die Halswirbel zur Stabilisierung versteift (basket surgery) werden. Dadurch kann das Pferd wieder reitbar werden.
Weniger kompliziert sind die therapeutischen Maßnahmen, um einen Nährstoffmangel zu beheben. Hier gilt es, durch gezieltes Zufüttern den Mangel zu beheben. Mitunter kann auch versucht werden, ein Pferd mit Ataxie mit Homöopathie zu behandeln. Nachweise zur Wirksamkeit in Form von Studien gibt es dazu allerdings bisher nicht.
Läsionen im Rückenmark, Groß- oder Kleinhirn sind hingegen oftmals irreversibel. In jedem Fall sollte der Besitzer eine genaue Diagnosestellung anstreben, um einen möglichst gezielten Therapieansatz zu formulieren.
Aber Achtung: „Wenn Pferde ganz plötzlich Symptome zeigen und als Notfall betrachtet werden müssen, kann es häufig ein guter erster Schritt sein, dem Patienten ein abschwellendes und entzündungshemmendes Mittel zu verabreichen“, weiß die Tierärztin aus eigener Erfahrung.
Ataxie beim Pferd: Heilung möglich?
Bei den meisten Formen von Ataxie beim Pferd sind Schmerzen oder zumindest Unwohlsein zu erwarten. Dies ist, genau wie die Antwort auf die Frage, ob ein Pferd mit Ataxie wieder voll einsatzfähig wird, von der Ursache der Ataxie abhängig sowie davon, wie schwerwiegend die ursächliche Erkrankung ist.
Kommt es beispielsweise zur spinalen Ataxie durch eine Arthrose der Halswirbelsäulengelenke, dann haben diese Pferde häufig eine schmerzbedingte Einschränkung der Beweglichkeit. Es gibt für Pferde mit gering ausgeprägter Ataxie Trainingsmöglichkeiten, die ihnen das Leben erleichtern. „Wenn es möglich ist, sollten Pferde ihre Muskulatur trainieren, denn mit genügend Muskeln können sie einiges ausgleichen“, erklärt Tierärztin Carolin Gerdes. Sichere Trainingsmethoden dafür seien die Arbeit an der Longe, Doppellonge sowie Bodenarbeit.
Trotz Ataxie das Pferd reiten?
„Generell bin ich vorsichtig damit, Besitzern mein Go für die Nutzung des Tieres als Reitpferd zu geben. Pferde mit anhaltenden und austherapierten ataktischen Beschwerden sollten nicht geritten werden“, mahnt die Tierärztin. Auch Gruppenhaltung sollte bei Pferden mit Ataxie wohlüberlegt sein und eher mit ruhigen Artgenossen stattfinden.
Das Problem bei Pferden mit Ataxie ist, dass sich die Beschwerden jederzeit verschlimmern können.
Carolin Gerdes
„Am besten sollte das betroffene Pferd nur von bestimmten Personen geführt, geputzt und bewegt werden, die damit umzugehen wissen“, so Carolin Gerdes.
Verschlechtern sich die Bewegungsabläufe des Pferdes immer weiter, wird es für sich selbst, andere Tiere und Menschen zur Gefahr, dann ist es mitunter nicht zu vermeiden, das Pferd einzuschläfern.
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