Der Offenstall ist die traditionelle und zugleich einfachste Form der Gruppenauslaufhaltung. Neben viel Bewegung an frischer Luft, Sozialkontakt und ganztägiger Futteraufnahme gibt es Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten. Ein Überblick über die Regeln, Vor- und Nachteile in Sachen Offenstallhaltung.
Bei dem Wort „Offenstall“ denken viele an eine Pferdegruppe auf einer Weide mit einem Unterstand und Heuraufe. Hinzu kommen eine Wasserquelle, ein Mensch der Kraftfutter füttert und seinen Kontrollgang macht. Was fehlt, sind Strom, trockene Arbeitsplätze bei Regenwetter und jeglicher Komfort. Fertig ist das Klischee.
Tatsächlich hat sich die Offenstallhaltung in den vergangenen Jahren aber stark weiterentwickelt und ist in vielerlei Hinsicht moderner geworden. So gibt es inzwischen verschiedene Konzepte, die auch den menschlichen Bedürfnissen gerecht werden. Vor allem sollen sich aber natürlich die Pferde wohl fühlen. Dafür gilt es, einige Grundsätze zu beachten.
Voraussetzungen für eine gelungene Offenstallhaltung
Grundsätzlich stellt die offene Gruppenhaltung wesentlich höhere Anforderungen an den Stallbetreiber als die Einzelhaltung in Pferdeboxen. „Vielen Pensionsstallbetreibern mangelt es an den notwendigen Fachkenntnissen und Erfahrungen in Sachen Gruppenhaltung“, resümiert der Diplom-Ingenieur und Autor des Buchs „Pferde artgerecht halten“, Romo Schmidt.
Im Falle eines Wechsels sollte man den anvisierten Stall deshalb genau unter die Lupe nehmen und auch die Pferde beobachten. Zu beachten sind folgende Punkte:
- Gibt es einen Eingliederungsbereich, wie eine Paddockbox mit sicherem Zaun, die an einen Gruppenauslauf grenzt?
- Gibt es ausreichend viele Fressstände, damit rangniedere Tiere nicht benachteiligt sind?
- Ist für alle Pferde genügend Platz vorhanden, klar aufgeteilt in Ruhebereich und Auslauf? Gibt es Engpässe oder Sackgassen?
Das sind wichtige Fragen, die klar beantwortet werden müssen. Romo Schmidt erklärt: „In einem gut durchdachten Offenstall darf es unter keinen Umständen zu einem Blockieren der Futter- und Unterstellplätze kommen. Jeder Futterplatz muss zu jeder Zeit und von jedem Gruppenmitglied ohne Stress aufgesucht werden können. Wird ein rangniederes Pferd von einem ranghöheren von einer Futterstelle vertrieben, muss das vertriebene eine neue Futterstelle aufsuchen können.“
Erst wenn alle notwendigen Kriterien erfüllt sind, sollte ein Stallwechsel in Erwägung gezogen werden. Schließlich soll sich das Pferd in seinem neuen Pferdestall wohl fühlen.
Moderne Offenstallkonzepte
So haben sich auch der Aktivstall und der Paddock Trail (auch „Paddock Paradise“ genannt) aus dieser ursprünglichen Idee des Offenstalls entwickelt. Sie sind nicht nur noch naturnaher geworden, sondern bieten auch zeitgleich immer mehr Komfort für Pferd und Reiter.
Das Pferd bekommt bei diesen Konzepten Bewegungsanreize. Futterautomaten bieten individuelle kleine Futterportionen, die das natürliche Verdauungssystem des Pferdes berücksichtigen. Dem Reiter bieten sich oft moderne Trainingsmöglichkeiten mit Reitplatz und Reithalle sowie häufig auch ein Stübchen und sanitäre Anlagen.
Der Aktivstall
Den Aktivstall kennzeichnen vor allem folgende Punkte:
- Bewegung: Längere Laufstrecken durch künstlich angelegte Umwege und Bewegungsanreize.
- Sozialgefüge: Gemeinsames Fressen durch computergesteuerte Futterstationen. Hoher Sozialkontakt.
- Gesundheit: Individuelle Fütterungen und Weidezeiten können durch Chip-Erkennung gesteuert werden.
- Boden: Häufig großflächige Befestigungen mit Stein oder Pflaster. Unbefestigt: Kies, Sand oder Erde auf kleineren Flächen.
Torsten Hinrichs ist der Erfinder des „HIT AktivStall“. Er erklärt: „Unser Aktivstall ist ein ganzheitlicher Ansatz für die besonders artgerechte Gruppenhaltung von Pferden im Offenstall.“ Das System ist gut durchdacht. Im Unterschied zum klassischen Offenstall müssen die Pferde zur Erfüllung ihrer wichtigsten Bedürfnisse wie Fressen, Trinken und Schlafen bestimmte Laufstrecken zurücklegen. Rau- und Kraftfutter werden über den ganzen Tag in sehr vielen kleinen Portionen computergesteuert verabreicht. Neben der Fütterung ist auch die Beschickung und Entmistung präzise geplant und erfolgt ebenfalls weitgehend per Computersteuerung.
Einzelne Bereiche wie Futterstellen, Tränke und Ruhezonen sind möglichst weit voneinander entfernt angeordnet und die Verbindungen durch Baumstämme oder Stichzäune werden künstlich verlängert. Rutschfeste Flächen an Tränken, Rau- und Kraftfutter-Bodenbereiche aus Kunststoff, Holz- oder Betonpflaster sowie unbefestigte Böden aus Sand oder Holzhackschnitzeln sind ebenso Bestandteil. Der Zutritt zur Weide wird durch Chips oder Transponder geregelt, die an der Mähne oder einem Pferdehuf befestigt sind. Pferden mit Übergewicht oder Rehegefahr kann so der Zugang auch ganz verweigert werden.
Auch die Futterstationen für das Pferdefutter sind transponder- oder chipgesteuert. Rollraufen geben zeitlich begrenzt Zugang zum Raufutter und in Einfach- oder Doppelstationen, die einzeln und nacheinander betreten werden, wird die individuelle Kraft- und Mineralfutteraufnahme gesteuert. Immer im Vordergrund steht die kontrollierte und gleichzeitige Futteraufnahme der Gruppe.
Der Paddock Trail bzw. Paddock Paradise
Der Paddock Trail ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
- Bewegung: Längere Laufstrecken durch fest angelegten Rundkurs.
- Sozialgefüge: Einzelne Heuraufen behindern gemeinsames Fressen. Guter Sozialkontakt.
- Gesundheit: Individuelle Fütterungen können nicht automatisch integriert werden.
- Boden: Verschiedene Bodenbeläge halten die Hufe gesund. Unbefestigte Teile des Weges können matschig werden.
- Extra: Integrierte Hufschwemmen bauen Wasserscheu ab
Bei diesem Konzept der Offenstallhaltung geht der Paddock in einen Rundkurs über, der am Rand der Weide angeordnet ist, um diese ganz herum führt und wieder im Stallpaddock endet.
„Die Einrichtungen, die üblicherweise im Stallgebäude oder auf dem Paddock angeordnet sind, werden auf den Rundkurs verlegt“, erläutert Diplom-Ingenieur Romo Schmidt, Autor des Buchs „Pferde artgerecht halten“. Strohraufe, Heufressstände, überdachter Mineral- und Salzleckstein, Wälzplatz und Hufschwemme sind Teil des Rundwegs und ergänzen die sogenannte „Viewing-Plattform“ in der Mitte.
„Paddock Trail“ oder auch „Paddock Paradise“ nennt sich dieses natürliche Offenstallkonzept, das der Amerikaner und ehemalige Hufschmied Jamie Jackson entwickelt hat und das sich am Lebensraum der wilden Mustangs in den USA orientiert.
Offenstallhaltung für jedes Pferd?
Diese Beispiele zweier moderner Offenstallkonzepte sind besonders stark auf die natürlichen Bedürfnisse des Pferdes ausgerichtet. Dadurch ermöglichen sie ein normales Sozialverhalten und reduzieren so Probleme wie Verhaltensstörungen. Gleichzeitig sinkt die Gefahr einer fütterungsbedingten Kolik, anderer Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts sowie sogenannter Zivilisationserkrankungen, die mit der modernen Pferdehaltung zusammenhängen können.
Grundsätzlich sind diese Haltungsformen für die meisten Pferde passend. Jedoch sollte man in jedem Einzelfall die Vorlieben und Eigenheiten des jeweiligen Pferdes respektieren. Denn wenn es beispielsweise altersbedingte oder gesundheitliche Probleme gibt oder ein Pferd nie gelernt hat, sich in ein Herdengefüge einzuordnen, kann eine andere Pferdehaltung angebrachter sein.
© Info zur Verwendung von Texten der Autoren Mareen Deicke und Carolin Müller
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