Effektive Mikroorganismen sollen unter anderem die Verdauung unterstützen. Experten streiten jedoch darüber, ob sie im Pferdefutter wirklich sinnvoll sind
Gut und böse liegen dicht beieinander, wenn es um Mikroorganismen geht – also Kleinstlebewesen wie Bakterien, Pilze oder Algen, die nur unter einem Mikroskop sichtbar werden. Manche von ihnen sind dem Menschen schon lange nützlich: Sie verwandeln beispielsweise Milch in Käse. Andere hingegen führen zu schweren Krankheiten. Anfang der 1980er Jahre entdeckte der Agrarwissenschaftler Prof. Teruo Higa aus Japan Effektive Mikroorganismen: Das sind 80 verschiedene Arten von Milchsäurebakterien, verschiedene Hefen und Photosynthese-Bakterien. Higa fand heraus, dass sich Mikroorganismen in drei Gruppen aufteilen:
- Gute Mikroorganismen, die für die Regeneration wichtig sind.
- Schlechte Mikroorganismen, die für die Degeneration verantwortlich sind.
- Eine große Gruppe neutraler Mikroorganismen.
Gute und Böse bekämpfen sich, die dritte Gruppe schließt sich dem Gewinner an. Effektive Mikroorganismen sollen die Guten stärken und diesen zum Sieg verhelfen.
Effektive Mikroorganismen – ein Wundermittel?
Im Humanbereich werden EM auch damit beworben, dass sie schon erfolgreich Krebs bekämpft oder Parkinson-Symptome gelindert haben. Außerdem sollen sie z.B. beim Gemüseanbau helfen, für einen klaren Gartenteich sorgen, etc. Die Liste ließe sich unendlich fortführen. Auch im Pferdebereich: Effektive Mikroorganismen sollen die Darmflora stärken und den Ammoniak-Gestank in der Box eindämmen. Sie sollen dafür sorgen, dass sich Mist schneller zersetzt. Auf der Haut sollen sie unerwünschte Keime verdrängen, so dass sich Hautprobleme damit lindern lassen.
Ein Wundermittel für alles? „Nein, es ist kein Wundermittel“, sagt Ernst Hammes, der Effektiven Mikroorganismen befürwortet und den Verein EM e.V. gegründet und ein Buch zu dem Thema geschrieben hat. „Wir müssen nur anfangen mikrobiell zu denken, dann werden die Probleme geringer.“ Bei den effektiven Mikroorganismen gehe es um das Dominanzprinzip: „Gegen Mikroorganismen zu kämpfen ist unsinnig. Reinigt man z.B. eine Fläche, siedeln sich kurz danach sofort wieder neue Mikroorganismen an. Wir können jedoch entscheiden, ob sich schlechte oder gute niederlassen.“
Gut für den Darm?
Auch im Darm sollen Effektive Mikroorganismen helfen – wissenschaftlich bewiesen ist es nicht. „Pferde sind gut auf die Nutzung erwünschter Mikroorganismen vorbereitet, weil sie die Hauptverdauungsleistung nach dem Blinddarm, also im Dickdarm abrufen“, erklärt Ernst Hammes. Der Dünndarm endet im Blinddarm, der bereits zum Dickdarm zählt.
„Im Blinddarm wird der Futterbrei 20 Stunden verarbeitet und es entwickeln sich unendlich viele Mikroorganismen, die das Gras als Futter nutzen. Dabei entstehen viele Vitamine und Enzyme. Gibt es im Blinddarm eine Fehlgärung, weil nicht genügend erwünschte Mikroorganismen auf dem Futter waren, entstehen Krankheiten.“
Diese Aussage ist nach Ansicht der Pferdeernährungsexpertin Prof. Ellen Kienzle von der Ludwig-Maximilians-Universität München falsch. Außerdem äußert sie Kritik an den Milchsäurebakterien (Laktobazillen), die ein Bestandteil der Effektiven Mikroorganimsen sind: „Zunächst einmal sind Laktobazillen als Probiotika im Futtermittel nicht zugelassen. In größeren Mengen sind sie im Pferdedarm sogar unerwünscht, denn sie können zu Hufrehe führen – selbst bei Fohlen, wo es noch einigermaßen sinnvoll wäre, wurden Probleme nachgewiesen.“ Es ist allerdings nicht verboten, Milchsäurebakterien zu füttern.
Ernst Hammes betont, dass in Joghurt wesentlich mehr Laktobazillen wären als in einem Teelöffel EM und dass sich Milchsäurebakterien nur soweit entwickeln könnten wie Magen und Darm dies zulassen. Außerdem seien im natürlichen Futter auch Laktobazillen wie z.B. im Gras oder Heu. Besonders viel kommt in Silage vor, die mithilfe der Mikroorganismen haltbar gemacht wird – allerdings wird Silage im Hinblick auf Hufrehe als kritisch betrachtet.
Effektive Mikroorgansmen füttern
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man Effektive Mikroorganismen füttern kann: Eine EM-Lösung anmischen (mit der sogenannten EM-Urlösung), eine fertige Mischung übers Futter verteilen, EM dem Wasser zugeben oder ein Futter wählen mit Kräutern, die durch Mikroorganismen fermentiert wurden. Fermentieren bedeutet Gären – durch die Zugabe von Mikroorganismen werden Stoffe umgewandelt, es entstehen Enzyme, Vitamine, Aminosäuren und weitere positive Substanzen.
All diese Fütterungsvarianten sind nach Ansicht von Prof. Kienzle mehr oder weniger riskant: „Für ein Pferd etwas gären zu lassen ist nie gut“, nennt sie einen Kritikpunkt. Bei dem fermentierten Futter stellt sie sich zudem die Frage, wie lebendig die Mikroorganismen sind, wenn sie z.B. pelletiert wurden, und was sie dann bewirken? Ernst Hammes sagt dazu, es seien haltbare Produkte, in denen erstmal nichts lebe. „Bis sie gefüttert werden, dann tun die Mikroorganismen ihre Arbeit.“
Nicht nur EM-Produkte enthalten Milchsäurebakterien und Hefen, sondern auch andere Zusatzfutter. „Der Vorteil der Effektiven Mikroorganimsen ist, dass man sie selber vermehren kann und es dadurch billiger wird“, so Hammes. Man mischt heißes Wasser mit Zuckerrohrmelasse, füllt dann kaltes Wasser auf und gibt zum Schluss EM-Urlösung hinzu. Zehn Tage lang soll man dies bei 34 bis 38 Grad Celsius unter Luftabschluss fermentieren lassen.
Kolikgefahr!
Das Selbstvermehren vom Effektiven Mikroorganismen sieht Prof. Kienzle besonders kritisch. „Der ‚worst case’ wäre, wenn man dabei nicht steril arbeitet, vielleicht eben die Hände vom Hund abgeleckt wurden und man Salmonellen an den Händen an, die in die Mischung gelangen.“ Denn natürlich lieben auch schlechte Mikroorganismen die Anzuchtbedingungen. Das Beispiel mit den Salmonellen ist ein sehr unwahrscheinlicher Fall, aber möglich.
Wesentlich wahrscheinlicher ist nach Ansicht der Ernährungsexpertin aber, dass sich beim Anmischen wilde Hefen ansiedeln. „Gelangen diese lebend in den Verdauungskanal, bilden sich Gase.“ Kolikgefahr! Prof. Kienzle hat in ihrem Institut schon von Fällen gehört, bei denen Pferde durch Effektive Mikroorganismen eine Kolik bekommen hatten. Beinahe fassungslos wirkt sie, als sie beim Blick auf das Etikett eines EM-Produkts Photosynthese-Bakterien entdeckt. „Die sind extrem gefährlich, da sie Toxine bilden können!“
Zu einem weit größeren Problem werden diese Bakterien im Wasser. Nämlich dann, wenn die Sonne scheint und sie sich rasend vermehren – Algenplage. Ernst Hammes rät deswegen davon ab, flüssige EM-Mischungen ins Wasser zu geben. Er bevorzugt EM-Keramik: Das ist Ton mit EM gebrannt, der in das Wasser gelegt wird und sich so auf die Wasserstruktur auswirken soll, dass es nicht fault. Die Ernährungsexpertin stört etwas anderes, wenn es ums Wasser geht: Zum einen, ob die Pferde das Wasser mit EM überhaupt saufen und zum anderen, wann wie viele Mikroorganismen aufgenommen werden: „An kalten Tagen saufen Pferde wenig und nehmen entsprechend wenige Mikroorganismen auf. An heißen Tagen hingegen, an denen Pferde oft zu Koliken neigen, würden sie zusätzlich ungewohnt viele Mikroorganismen aufnehmen.“
Was hilft kann auch schaden
Auch wenn man ein Pferd kennt, das mithilfe von Effektiven Mikroorganimsen gesund wurde, würde Prof. Kienzle der Risiken wegen und „schon aus gesundem Menschenverstand“ trotzdem die Finger davon lassen. Genau auf den Menschenverstand zielt aber auch Ernst Hammes ab. Wenn man EM verwende, müsse man eben seinen Verstand und die Sinne einschalten: „Es ist nichts für jemanden, der nur auf ein Mindesthaltbarkeitsdatum achten will. Man muss sauber arbeiten, den ph-Wert messen und den Geruch sowie den Geschmack beachten. Man ist selbst verantwortlich dafür!“
Was EM bewirken, ist weiterhin umstritten. Fest steht, dass gute und böse Mikroorganismen eng beieinander liegen.Nike Jordan Jumpman hoodie in grey – release dates & sneakers., Jordans – Yeezys, Urlfreeze News | men’s jordan retro release dates
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