Kotwasser beim Pferd: Risikofaktoren identifizieren und beseitigen

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box6193

In einer aktuellen Studie wurde untersucht, wie Raufutter und Kotwasser zusammenhängen. (© slawik.com)

Stress, schlechte Futterqualität, Heulage – es gibt viele Faktoren, die im Verdacht stehen, beim Pferd Kotwasser auszulösen. Eine aktuelle Studie widmet sich den möglichen Ursachen und nimmt vor allem die Rolle des Raufutters genauer unter die Lupe.

Es ist ein wahrlich unschöner Anblick, den einige Pferdebesitzer schon selber erlebt haben: Die Hinterbeine des Pferdes sind braun verfärbt und von oben bis unten mit Kotwasser verklebt. Wenn das Pferd äppelt, scheidet es Kot von normaler Konsistenz und zusätzlich noch freie Flüssigkeit aus, die die Beine hinabrinnt – nicht zu verwechseln mit Durchfall, bei dem keine geformten Pferdeäppel, sondern breiartiger oder dünnflüssiger Kot abgesetzt wird. Kotwasser ist nicht nur ein unschöner Anblick, die Haut des Pferdes wird an den betroffenen Stellen stark gereizt. Täglich muss sie vorsichtig gereinigt werden, um Entzündungen zu vermeiden. Durch die gestörte Verdauung kann sich das Pferd unter Umständen auch unwohl fühlen. Seine Leistungsbereitschaft kann sinken und eventuell ist es auch noch ein wenig aufgegast – anfälliger für Koliken sollen von Kotwasser betroffene Pferde Studien zufolge aber nicht sein. 

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Kotwasser klebt an den Hinter­beinen und reizt die Haut. (© galoppfoto.de)

Stress, Krankheiten des Verdauungsapparates (von den Zähnen bis hin zum Darm), schlechte Futterqualität, falsches Fütterungsmanagement, Parasiten oder Allergien gelten als mögliche Ursache für Kotwasser. „Allerdings gibt es nur wenige veröffentlichte Untersuchungen über Kotwasser und die damit verbundenen Risikofaktoren. Insbesondere der Einfluss des Futters auf die Ausprägung von Kotwasser ist bisher nicht vollständig erforscht“, erklärt Frederike Wolbers, die aus diesem Grund ihre Masterarbeit über dieses Thema geschrieben hat. Für ihre Studie hatte die ehemalige Studentin der Universität Bonn eine Onlineumfrage durchgeführt, in der verschiedene Aspekte wie Auftreten des Kotwassers, Daten zum Pferd, Haltungsform, Fütterung und Entwurmungsmanagement abgefragt wurden. Von 122 Teilnehmern (69 davon hatten Pferde, die an Kotwasser litten) konnte Frederike Wolbers die Antworten auswerten. Zusätzlich wurden auch Kot- und Futterproben untersucht, die die Teilnehmer eingeschickt hatten. Dieses ungewöhnliche Studiendesign wurde gewählt, um trotz der Auflagen in Corona–Zeiten eine experimentelle Arbeit zu ermöglichen, so Wolbers.

Zur Person: Frederike Wolbers

Frederike Wolbers

Frederike Wolbers schrieb ihre Masterarbeit im Studiengang Tierwissenschaften an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zu dem Thema:
Ist das Auftreten von Kotwasser bei Pferden abhängig von der Raufutterqualität? Die Arbeit wurde betreut von PD Dr. Julia Steinhoff-Wagner und Dr. Simone Schmid. 

Kotwasser beim Pferd: Heulage als Ursache

Heulage steht immer wieder im Verdacht, Verdauungsprobleme und auch Kotwasser auszulösen. Unterschied-liche Studien kommen dabei zu verschiedensten Ergebnissen. Auch Koryphäen auf dem Gebiet der Pferdeernährung waren sich hier lange nicht einig, wie Frederike Wolbers bei der Recherche für ihre Masterarbeit feststellte. „Fasst man die Ergebnisse bisheriger Studien zusammen, geht man mittlerweile davon aus, dass die Wahl von Heulage als Raufutter durchaus ein bedeutender Risikofaktor für Kotwasser ist“, resümiert Frederike Wolbers. In ihrer Studie konnte sie ebenfalls einen deutlichen Zusammenhang zwischen Heulage und Kotwasser beobachten (siehe Grafik weiter unten). „Allerdings kann man nicht annehmen, dass Heulage als alleiniger Grund für das Auftreten von Kotwasser fungiert, da Kotwasser auch bei der Fütterung von Pferden mit Heu auftritt. Bei dem Problem Kotwasser gibt es nicht den einen Auslöser, vielmehr sind es viele Faktoren, die dazu beitragen, wie etwa auch Stress. Ist ein Pferd gestresst und kommt dann noch Heulage dazu, kann das der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.“

Warum Heulage zu dieser Problematik führen kann, ist noch nicht eindeutig geklärt. Im Raum stehen zwei Theorien: Zum einen kann dieses Raufutter weniger Wasser binden. Zum anderen fällt beim Silierprozess „Nicht-Protein-Stickstoff“ (NPN) an, der letztendlich dazu führt, dass die Wasseraufnahme im Dickdarm negativ beeinflusst wird. Was bisher nicht bestätigt werden konnte ist hingegen die Annahme, dass Heulage durch eine Verschiebung der Darmflora zu Kotwasser führt. 

Frederike Wolbers

Pferde, die Heulage zum Fressen bekamen, litten häufiger an Kotwasser, vor allem wenn sie im Winter auf Heulage umgestellt wurden. (© Frederike Wolbers)

Bis zu 100 Liter Wasser

Flüssigkeit gelangt über aufgenommenes Wasser, Nahrung, Speichel, Magen- und Bauchspeicheldrüsensäfte in den Verdauungstrakt. In den vorderen Teil des Verdauungstraktes fließen so täglich bis zu 100 Liter Flüssigkeit. 

Etwa die Hälfte des Wassers wird im Dünndarm absorbiert, also vom Körper aufgenommen, der Rest fließt weiter in den Dickdarm. Dort wird nochmals Wasser aufgenommen, etwa 70 bis 90 Prozent. Der Rest wird vermischt mit den unverdaulichen Futterstoffen ausgeschieden. Gibt es Probleme bei diesen Vorgängen, zum Beispiel weil die Wasseraufnahme des Darms gestört ist, wird zu viel Wasser als Durchfall oder wie bei Kotwasser das Wasser gesondert zum Kot ausgeschieden.  

Offenstall- und Boxenhaltung

Artgerechte Haltung und Wohlbefinden – hinsichtlich dieses Aspekts wurden verschiedene Haltungssysteme schon vielfach unter die Lupe genommen. Ob und wie sich diese aber auf Kotwasser auswirken, wurde noch nicht untersucht. In ihrer Masterarbeit hat Frederike Wolbers auch diesen Aspekt abgefragt und kann keinen Zusammenhang zwischen Haltungsart und Kotwasser erkennen. Auffällig ist allerdings, dass alle Pferde, die verstärkt im Sommer an Kotwasser leiden, im Offenstall standen. Stress, der als Auslöser gilt, könnte eine Erklärung dafür sein. In einer früheren Studie zu Kotwasser zeigte sich, dass rangniedrigere Pferde häufiger an Kotwasser leiden als ihre dominanteren Kollegen. Da dies aber vor allem im Winter ein Problem ist, wenn die Ausweichmöglichkeiten begrenzt sind und sich die Tiere um einen Futterplatz scharen, scheint diese Ursache bei der Studie von Frederike Wolbers eher unwahrscheinlich. Die Pferde hatten es vor allem im Sommer. In einer anderen Studie konnte ein Zusammenhang zwischen Kotwasser und ganztägiger Weidehaltung festgestellt werden.

Kotwasser beim Pferd: Risikofaktor Gras?

Liegt es also am vielen Gras? „Grobstängeliges Heu, Grünfutter und strukturarme Rationen können den Wassergehalt im Kot durch eine raschere Passage des Darms, eine höhere Wasserbindung oder einer Reizung der Darmpassage ansteigen lassen. Die verstärkte Fütterung von Futtermitteln mit hohem ­Lignin-Gehalt kann den Wassergehalt im Kot dagegen absenken. Eine Fütterung mit Heu führt zu einem erhöhten Gehalt an gebundenem Wasser im Darm im Gegensatz zu einer Fütterung mit Konzentratfutter“, fasst Frederike Wolbers zusammen. Denn während die Offenstall-Pferde der Studie im Sommer Kotwasser hatten, bekamen die Boxenpferde Probleme mit Kotwasser nur im Winter. Auffällig häufig waren die Tiere betroffen, deren Raufutter im Winter auf Heulage umgestellt wurde. Bei Boxenpferden könnte noch ein weiterer Risikofaktor für Kotwasser hinzukommen: das verminderte Bewegungsangebot durch fehlenden Paddock- und Weidegang. Bewegung regt den Stoffaustausch im Darm an und reduziert Stress. Viel Stehen, wie es bei manchen Boxenpferden im Winter üblich ist, verursacht hingegen Stress. 

Bei dem Problem Kotwasser gibt es nicht den einen Auslöser, vielmehr sind es viele Faktoren, die dazu beitragen.

Frederike Wolbers.

Sandaufnahme

Nimmt ein Pferd größere Mengen Sand auf, kann sich dieser im Dickdarm ablagern und die Funktion der Darmschleimhaut beeinträchtigen. Kolik, Durchfall aber auch Kotwasser können die Folge sein. Ein Mineralstoffmangel, das Fressen von Heu vom Boden, zu kurzes Gras oder zu wenig Raufutter sind häufig die Ursachen dafür, dass Pferde Sand aufnehmen oder sogar bewusst fressen. 

Die eingesandten Kotproben der Studienpferde überprüfte Frederike Wolbers mittels Sedimentationstest auf den Sandgehalt. Die Pferde, die an Kotwasser litten, hatten aber keinen höheren Sandgehalt im Kot als ihre gesunden Kollegen. 

Hygiene des Raufutters 

Dank der eingesandten Raufutter­proben konnte Frederike Wolbers auch dessen Hygiene beurteilen lassen. Verdorbene und verunreinigte Futtermittel führen zu Verdauungsproblemen. In der Studie waren aber alle eingesandten Proben mit gut bis befriedigend zu bewerten, sodass kein Zusammenhang zum Auftreten von Kotwasser hergestellt werden konnte. „Bereits in früheren Studien wurde die Vermutung aufgestellt, dass schimmeliges Raufutter nicht ursächlich für die Ausprägung von Kotwasser ist, da sich nur 14,3 Prozent der Besitzer von Pferden mit Kotwasser über eine schlechte Raufutterqualität beschwerten“, weiß Frederike Wolbers, die bei ihrer Studie dennoch nicht gänzlich ausschließen möchte, dass Futterhygiene eine Rolle spielt. „Die Futterproben, die wir untersucht haben, haben die Pferdebesitzer selber genommen. Sie haben zwar genaue Anweisungen bekommen, aber wir können nicht sicherstellen, dass sie wirklich verschiedenste Schichten und Stellen eines Heuballens entnommen haben.“#

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Schnittzeitpunkt des Futters

Was im Heu an Energie und Rohfaser steckt, wird maßgeblich vom Schnittzeitpunkt des Grases bestimmt. Der erste Schnitt erfolgt im Frühsommer, meist am Anfang bis zur Mitte der Blüte. Je später Gras geschnitten, desto mehr Rohfaser, weniger Eiweiß und Aminosäuren und weniger Energie enthält das daraus gewonnene Heu. Der zweite Schnitt findet etwa sieben Wochen nach dem ersten Schnitt statt.

Bisherige Studien legen den Verdacht nahe, dass der zweite Schnitt Kotwasser begünstigt und bei Heu vom ersten Schnitt weniger Symptome auftreten. Frederike Wolbers könnte sich vorstellen, dass es vor allem das Vegetationsstadium des Grases zum Zeitpunkt des Schnittes ist, das eine Rolle beim Kotwasser spielt. „Bei Pferden wird beim ersten Schnitt die frühe Gräserblüte als optimaler Schnittzeitpunkt angesehen. Beim zweiten oder späteren Schnitt werden diese späteren Vegetationsstadien oftmals nicht mehr erreicht“, erklärt sie. „Da bei Heu das Vegetationsstadium der Gräser ausschlaggebend für den Futterwert ist, liegt die Vermutung nahe, dass nicht die Anzahl der Schnitte, sondern das Vegetationsstadium der Gräser und die damit einhergehenden Unterschiede in der nutritiven Zusammensetzung im Zusammenhang zur Ausprägung mit dem Kotwasser stehen.“

Parasiten

Würmer beeinträchtigen die Verdauung. Ein Befall mit ihnen äußert sich oftmals auch in Durchfall. Allerdings zeigen mehrere aktuelle Studien, dass Würmer nicht zu Kotwasser führen. Betroffene Tiere hatten keinen hohen Parasitenbefall und waren regelmäßig entwurmt worden. Auch in der Studie von Wolbers konnte keine Verbindung zwischen Entwurmung und Kotwasser hergestellt werden.

Was hilft wirklich gegen Kotwasser?

 • Prüfen, welches Raufutter das Pferd bekommt: Heulage? Dann lieber auf Heu umsteigen. Bekommt es Heu? Dann die Qualität prüfen. „Auch wenn ich in meiner Studie keinen Einfluss der Qualität auf Kotwasser erkennen konnte, so ist eine gute Raufutterqualität das A und O für einen gesunden Darmtrakt“, rät Frederike Wolbers. 

 • Stress lindern! Beobachten, ob das Pferd mit anderen Herdenmitgliedern nicht klarkommt oder zum Beispiel auf Turnieren gestresst ist und dann an Kotwasser leidet.

 • Tritt Kotwasser nach zu hohem Graskonsum auf? Dann Gras nur in Maßen fressen lassen und Heu zufüttern. 

 • Sandaufnahme vermeiden! Dem Pferd ein angepasstes Mineralfutter anbieten, damit es keinen Sand vom Boden aus aufnimmt. Auch Heu und anderes Raufutter auf dem Paddock nicht vom Boden aus füttern.

Dieser Aritkel erschien erstmals im St.GEORG 7/2022. Sie wollen immer auf dem neuesten Stand bei der pferdemedizinischen Forschung sein? Jeden Monat berichten wir im St.GEORG über neueste Erkenntnisse zu altbekannten Problemen bei Pferden. Mit einem Abo unterstützen Sie unsere Arbeit – und erhalten zudem tolle Prämien extrem vergünstigt. Hier geht es zu unserem Shop.air jordan 1 factory outlet | cheapest air jordan 11

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Kerstin WackermannRedakteurin

Die Redakteurin hinter den großen Ratgeberthemen. Expertin für Pferdemedizin, von Atemweg bis Zysten. Gut vernetzt mit Tierärztinnen und Tierärzten, Universitäten, Hochschulen, Experten und Sachverständigen ist sie die Fachjournalistin, die sich auch seit mehr als 20 Jahren beim St.GEORG mit Pferdehaltungsthemen intensiv auseinandergesetzt und dazu recherchiert hat.

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