Musik für Pferde: Wie Melodien Stress reduzieren

Camille Eyraud und ihr Team der Universität Bordeaux führten die Studie durch. Sie wollten herausfinden, ob Musik die Reaktionen von Pferden auf unerwartete Reize beeinflussen kann. Insgesamt 36 Pferde nahmen an der Untersuchung teil, die in drei Gruppen aufgeteilt wurden. Über einen Zeitraum von zehn Tagen setzten die Forscher die Pferde verschiedenen Stresssituationen aus. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden im „International Journal of Equine Science“ veröffentlicht.

Test mit Stressparcours und Musik für Pferde

Die Pferde absolvierten einen Test-Parcours. Dieser bestand aus zehn verschiedenen Stressreizen und dauerte im Durchschnitt 6 Minuten und 38 Sekunden. Die Stressreize setzten sich aus fünf visuellen und fünf auditiven Reizen zusammen. Die visuellen Reize waren eine Plane oder ein grüner runder Teppich auf dem Boden, eine große orangefarbene Fahne, ein Zelt, ein aufgespannter Regenschirm oder ein gegen die Hallenbande geworfener Ball. Die auditiven Reize bestanden aus Tiergeräuschen wie z.B.  dem Heulen eines Wolfes oder dem Krähen eines Hahns, aber auch aus Alltagsgeräuschen wie dem Laufen eines LKW-Motors oder auch Sirenen eines Krankenwagens.

Die Musik spielten die Wissenschaftler den Pferden über eine „Audiokappe“ vor – dies ist eine normale Ohrenhaube, die auf Höhe der Ohrmuschel Kopfhörer hat und an der ein MP3-Player befestigt ist. Um die Pferde nicht zu überfordern, wurden die Geräusche maximal fünf Sekunden lang abgespielt. Während jeder Testdurchführung dokumentierten die Forscher das Verhalten der Pferde anhand von Videoaufnahmen.

Die Wirkung von Musik auf Verhalten und Herzfrequenz der Pferde

Die Analyse der Daten zeigte, dass Musik für Pferde einen deutlich beruhigenden Effekt hat. Pferde, die Musik hörten, zeigten deutlich geringere Stressreaktionen im Vergleich zu den Kontrollgruppen, die ohne Musik auskommen mussten. Gleichzeitig bestätigten die Herzfrequenzmessungen, dass die Aktivität des autonomen Nervensystems der Pferde positiv beeinflusst wurde. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass Musik eine wertvolle Ressource ist, um Stress bei Pferden zu mindern. Laut Eyraud und ihrem Team zeigt die Arbeit, dass Musik die Mensch-Pferd-Interaktion verbessert. Die beruhigende Wirkung von Musik ermöglicht es, stressige Situationen für die Tiere sicherer zu gestalten.

Langfristige Effekte: Musik bei Pferden gezielt einsetzen

Ein interessantes Ergebnis dieser Studie war, dass die Wirksamkeit von Musik durch wiederholte Einwirkungen nicht automatisch abnimmt. Pferde profitierten von der musikalischen Einwirkung, selbst nach sieben aufeinanderfolgenden Belastungstests. Die Forscher wiesen jedoch darauf hin, dass es kontraproduktiv sein könnte, wenn Pferde den ganzen Tag lang Musik hören, das haben auch frühere Studien gezeigt. Deshalb empfehlen sie, Musik sparsam und gezielt für temporäre Stresssituationen einzusetzen. Für Besitzer und Trainer von Pferden bietet sich hier eine wertvolle Ergänzung im Training und bei der Behandlung stressbelasteter Tiere.

Frühere Studien belegen ebenfalls beruhigenden Effekt

Eine polnische Studie zeigte, dass Rennpferde mit Musik entspannter sind und bessere Leistungen erreichen. (© Rühl.com)

Polnische Forscher hatten an einer verhältnismäßig großen Pferdepopulation untersucht, welchen Einfluss Musik auf die Herzfrequenz und damit auf die Anspannung der Pferde hat und wie die Leistung durch Musik beeinflusst werden kann. 70 Voll­blüter, die im Rennsport liefen, wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. 30 dienten als Kontrollgruppe, 40 von ihnen bekamen am Nachmittag jeweils fünf Stunden lang Musik im Stall vorgespielt, die die Forscher extra zusammengestellt und als besonders melodisch bewertet hatten. Die Herzfrequenz wurde in der Ruhe­phase, beim Satteln sowie beim Aufwärmen unter dem Reiter überprüft. Diese Messungen wurden sechsmal durchgeführt, im Abstand von jeweils 30 bis 35 Tagen. Zusätzlich werteten die Wissenschaftler auch noch die Leistungen der Pferde anhand ihrer Rennergebnisse aus. 

Musik kurz vor Wettkampf nutzen 

Schon nach einem Monat zeigte sich anhand der Herzfrequenz, dass die Pferde mit Musik wesentlich entspannter waren. Im zweiten und dritten Monat war der Unterschied zur Kontrollgruppe sogar noch größer. Und auch ihre Leistungen waren besser. Schade nur, dass nach dem dritten Monat alle Werte wieder zur „Normal­form“ zurückgingen. Die Forscher vermuten, dass dann eine Art Gewöhnungseffekt einsetzt. Dennoch ist ihr Fazit positiv: Man kann mit Musik im Stall das Wohlbefinden der Pferde verbessern und Musik kurz vor einem Wettkampf gezielt als Trainingshilfe einsetzen.  

Welche Musik ist für Pferde entspannend?

Dieser Frage waren bereits frühere Studien nachgegangen. Wissenschaftler der Hartpury Universität in Gloucester spielten acht Wallachen vier verschiedene Musik­richtungen vor: Klassik, Country, Jazz und Rock. Die Pferde hörten die Musik in ihren gewohnten Boxen, jeweils 30 Minuten lang. Während dieser Zeit herrschte ansonsten Ruhe auf dem Hof, es wurde nicht gearbeitet. Die Pferde zeigten sich unruhig, als die Genres Jazz und Rock liefen: Sie stampften auf, schlugen mit dem Kopf, schnaubten oder wieherten. 

Vor allem Jazz regte die Pferde am meisten auf, was die Forscher auf das schnelle Tempo und die Tonart der verwendeten Stücke zurückführten – es wurde eine Moll-Tonleiter gespielt, die auch auf den Menschen eher eine melancholische Wirkung hat. Entspannend hingegen wirkten die Musikrichtungen Klassik und Country, die ein langsames Tempo hatten und in F-Dur geschrieben war – F-Dur gilt allgemein eher als fröhlich.

Wer gerne einmal wissen möchte, bei welchen Melodien Pferde gut zur Ruhe kommen: Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat eine Entspannung-Musik für Pferde entworfen, die man sich hier anhören kann.

Kerstin WackermannRedakteurin

Die Redakteurin hinter den großen Ratgeberthemen. Expertin für Pferdemedizin, von Atemweg bis Zysten. Gut vernetzt mit Tierärztinnen und Tierärzten, Universitäten, Hochschulen, Experten und Sachverständigen ist sie die Fachjournalistin, die sich auch seit mehr als 20 Jahren beim St.GEORG mit Pferdehaltungsthemen intensiv auseinandergesetzt und dazu recherchiert hat.