Pferd-Mensch Beziehung: Der Chef macht die Ansage

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Respekt und Vertrauen – das sind die wichtigsten Zutaten für die Mensch-Pferd-Beziehung.

Vertrauen ist wichtig, Respekt die Grundlage des Miteinanders von Mensch und Tier. Verhaltensforscherin Prof. Dr. Konstanze Krüger hat Wildpferde beobachtet, kennt Rangfolgen und weiß, was einen guten „Pferde-Chef“ ausmacht.

Für Prof. Dr. Krüger gibt es keine zwei Meinungen: „Es ist notwendig, dass wir Menschen in der Alpha-Rolle sind, schließlich haben wir es mit gut und gerne 500 Kilogramm zu tun, die sich in Bewegung setzen“, so die Verhaltensforscherin von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen (HfWU). Eine klare Alpha-Rolle stärkt die Pferd-Mensch-Beziehung, denn sie basiert auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Dabei ist die Funktion des Alphatiers nicht mit der eines gnadenlosen Diktators gleichzusetzen. „Tiere, die in der Rangfolge relativ hoch oben angesiedelt sind, werden die Rangniederen nicht tyrannisieren. Es reicht, wenn die anderen Pferde Respekt vor ihnen haben“, erläutert Krüger. Vielmehr würden die Alphatiere einfach sehr selbstbewusst sein.

Die in der sozialen Ordnung unter ihnen stehenden Herdenmitglieder würden nicht für jedes kleine Vergehen bestraft. „Es ist auch eine gewisse Kulanz zu beobachten. Es wird dabei eine Linie ausgelotet. Was erlaube ich und was kann ich nicht mehr dulden.“ Genauso sollten auch Menschen mit Pferden umgehen: „Es muss klar sein, wer der Chef ist, eben der Zweibeiner. Chef sein kann ich nicht, wenn ich nicht in der Lage bin, unentwegt zu reglementieren. Wenn aber die Rolle des Zweibeiners infrage gestellt wird, muss gehandelt werden. Sprich im Umgang mit dem Pferd muss sich jeder Mensch einmal darüber bewusst sein, wo die rote Linie ist. Vor allem aber: Wie reagiere ich, wenn die rote Linie von Seiten des Pferdes überschritten wird?“

Pferd-Mensch Beziehung: Bisse und Tritte nicht dulden

Professor Krüger blickt auf ihre Erfahrung bei der Beobachtung von Wildpferden: „Bisse und Tritte sind nicht zu dulden!“ Es sei zumeist so, dass ein Biss mit einem Tritt gehandelt wird. Unverzüglich, ohne zu zaudern. „Bei grobem Fehlverhalten gegenüber dem Alphatier muss es richtig scheppern“, sagt die Verhaltensforscherin. Und das müsse auch auf das Mensch-Tier-Verhältnis übertragen werden. Wenn ein Pferd gezielt nach seiner Bezugsperson beißt oder tritt, muss die Reaktion genauso schnell wie unmissverständlich erfolgen. Auch mit einer Gerte, so eine solche zur Hand ist. Entscheidend ist, dass die Antwort schnell erfolgt. Am besten innerhalb von drei bis fünf Sekunden. Das Kurzzeitgedächtnis der Pferde ist kurz, das haben Studien bewiesen. Eine Strafe, und sei sie noch so angesagt, die länger als zehn Sekunden auf sich warten lässt, ist nutzlos, weil das Pferd sie nicht versteht. Das gilt übrigens umgekehrt auch für ein Lob.

Als Herdentier ist das Pferd im Prinzip froh, wenn es ein klar definiertes Alphatier hat. Das gibt dem rangniederen Herdenmitglied Sicherheit – „Chef oder Chefin passt auf, ich kann entspannt fressen oder dösen, auf Gefahren werde ich rechtzeitig hingewiesen.“ Diese klare Struktur ist auch essenziell für eine stabile Pferd-Mensch-Beziehung, da sie Vertrauen und Sicherheit fördert. Es geht, wie in eigentlich allen Beziehungen, um Respekt, nicht um Angst. „Respekt baut sich langsam auf und hat auch mit Vertrauen zu tun“, so die Professorin. Wobei Respekt nicht bedeutet, dass man „eine totale Liebesbeziehung“ erwarten sollte, so Krüger. Respekt ist, wenn man gut miteinander auskommt.

Kommunikation: Körpersprache is King

Für Pferde ist Akustik nicht das erste Mittel der Kommunikation. Es wird gewiehert und Stuten „brummeln“ ihre Fohlen an, und dieselben tiefen, leisen Töne benutzen Herdenmitglieder auch manchmal untereinander. Aber Wiehern ist mehr ein warnendes Rufen als eine Kommunikation, die Befugnisse oder Rangfolgen klärt. „Hengste schreien manchmal, wenn sie kämpfen, das ist die höchste Form der Aggression, ein Notfall“, sagt Professorin Krüger. Und natürlich kennt jeder das „beleidigte“ Quietschen einer Stute, vor allem wenn sich die Rosse ankündigt.

Wer aber Chef ist, wird anders vermittelt, durch Aktivität und Körpersprache. Genau diese ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Kommunikation mit dem Pferd. Wer für voll genommen werden möchte, muss das auch in seinem „dominanten Körperverhalten“ ausdrücken. Sprich: Brust raus, aufrechter Gang – „hier bin ich, und ich bin die Nummer eins“. Es geht um Präsenz. Das verstehen Pferde. Das gibt ihnen die Sicherheit, die sie von dem Alphatier, dem sie sich gerne respektvoll unterordnen, erwarten.

Konsequent sein: Pferd-Mensch Beziehung

Slawik

Bei grobem Fehlverhalten gibt es in der Herde ganz klare Ansagen vom Chef.

Wer diesen Respekt meint durch permanente akustische Signale erreichen zu können, dürfte scheitern. „Charly – nein! Nein, lass das! Hörst du nicht? Chaarly! Mensch, nein…“ Endloses Gebrabbel kennt jeder von der heimischen Stallgasse. Aber wohl kaum jemand kennt einen „Charly“, der nach der ersten Ermahnung folgsam das Kratzen, Beißen oder mit-dem-Anbinder­Spielen unterlässt. Und auch Schnappen, Schweifschlagen oder das unmutige Anheben eines Hinterbeins werden meistens nicht unterlassen. Wie gesagt, hier ist das Gefühl des Menschen gefragt: Wie kulant kann ich sein? Wie entschlossen muss ich sein, um den erworbenen Respekt nicht aufs Spiel zu setzen? Was man auf keinen Fall sein darf: inkonsequent. Die Realität auf deutschen Stallgassen lehrt: Hier ist noch Luft nach oben.

Das Pferd kann meinen Körper lesen. Steht meine vorherrschende Rolle zur Disposition, muss ich reagieren. Ich richte mich auf, „mache mich groß“ und fordere das Pferd auf, zu weichen. Ein Ausweichen nach seitwärts ist der erste Schritt, um die Beziehung zu klären. Das Rückwärtsrichten ist ein deutlicher Akt der Unterwerfung, oft bei Hengst­ kämpfen zu beobachten. Vom Boden aus, und diese uralte Erkenntnis wissen diejenigen, die sich in den unterschiedlichen Horsemanship­Schulen tummeln gut zu vergolden, lassen sich viele Dinge grundsätzlich klären.

Leckerli? Sattelzwang überwunden

Leckerli sind in der Pferdeerziehung umstritten. Prof. Dr. Krüger hat selbst erfahren, dass man nicht übertrieben dogmatisch diesbezüglich sein muss. Sie hatte eine Stute mit Sattelzwang. Mit Hilfe von Leckerli und Ruhe beim Satteln und Angurten habe sie es damals geschafft, dem unsicheren Pferd eine „Wohlfühl-Situation“ zu erschaffen. Auf diesem Weg sei dank Leckerli das Problem handhabbar geworden.

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