Reiten auf Kandare: vier Zügel, die die (Dressur-)Welt bedeuten

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Kandare-Pferd

Reiten auf Kandare verlangt einen Reiter, der unabhängig vom Sitz gefühlvoll mit der Hand einwirken kann. (© www.toffi-images.de)

Vier Zügel für Könner – so sollte es zumindest sein. Die Kandare beim Pferd ist einerseits sehr beliebt, aber andererseits auch stark umstritten. In geschulter Hand kann das Kandarengebiss zur Verfeinerung der Hilfen dienen, aber in ungeschulter Hand ebenso großen Schaden anrichten.

Für Pferd und Reiter ist es ein großer Schritt in der Ausbildung, wenn der Kandarenzaum zum Einsatz kommt. Ein großer und ungewohnter Schritt. Das Pferd hat plötzlich deutlich mehr Metall im Maul, der Reiter sieht sich mit zwei Zügelpaaren konfrontiert. Und über all dem schwebt die große Überschrift „Vorsicht!“. Denn die Kandare ermöglicht nicht nur „auf einem entsprechend ausgebildeten Pferd eine feinere Hilfengebung“, wie es in den Richtlinien für Reiten und Fahren steht, eigentlich fordert sie genau diese. Eine Hand, die vollkommen unabhängig vom Sitz des Reiters agiert, ist die Grundvoraussetzung.

Was ist eine Kandare?

Das Kandarengebiss ist ein spezielles Stangengebiss für Pferde, welches im Dressursport ab Klasse L zum Einsatz kommen kann. Im Gegensatz zum gebrochenen Gebiss besitzt die Kandare eine starke Hebelwirkung, weshalb sie nur von erfahrenen Reitern eingesetzt werden sollte. Ober- und Unterbaum (letzterer als Anzüge bekannt) an der Seite des Stangengebiss bilden einen Hebel. Damit wirkt jede Zügelhilfe deutlich stärker auf das Pferdemaul und das Genick ein, als das bei der Unterlegtrense der Fall ist, weil bei dieser der Gebissring nicht fixiert ist. Aus diesem Grund muss eine Kandare auch immer exakt passen.

Eine nicht ideal im Maul liegende Wassertrense kann Probleme verursachen, eine unpassende Kandarenstange auf jeden Fall Schmerzen. Das Kandarengebiss liegt unterhalb der Unterlegtrense im Maul und soll gleichmäßig auf die Laden wirken. Ein zu breites Gebiss würde sich im Maul verkanten können und dann einseitig stärkeren Druck erzeugen. Ist die Stange zu schmal, besteht die Gefahr, dass Ober- und Unterbaum an den Lefzen scheuern. Geführt wird das Pferd grundsätzlich nur am Trensenzügel.

Wie der Kandarenzaum beim Pferd wirkt

Drei Faktoren bestimmen maßgeblich, wie stark der Reiter über den Kandarenzügel auf das Pferd einwirken kann: Die Länge der Anzüge, die Verschnallung der Kinnkette und die Ausprägung der sogenannten Zungenfreiheit.

Kurze oder lange Anzüge

Je kürzer die Hebelarme sind, desto weniger wird die von der Reiterhand ausgehende Kraft verstärkt. Mit längeren Aufzügen lässt sich deutlich mehr Druck auf die Lade des Pferdes ausüben. Sie sind also stets schärfer. Dennoch darf man nicht die Gleichung: „Lange Anzüge, skrupelloser Reiter oder starkes Pferd“ aufstellen. Prinzipiell stimmt das zwar, aber man sollte berücksichtigen, dass diese stärkere Kraft der längeren Hebel langsamer einwirkt. Kurze Anzüge, wie sie beispielsweise bei der so genannten Babykandare verwandt werden, stellen also keinen Freibrief dar, mit der Hand bei Kandarenzäumung weniger vorsichtig zur Tat zu schreiten.

Zungenfreiheit bei der Kandare

Kaum ein Begriff ist so leicht misszuverstehen wie der der Zungenfreiheit. Die Zungenfreiheit bezeichnet die Auswölbung der Kandarenstange nach oben. Er basiert auf der lange vorherrschenden Annahme, dass die Zunge Platz benötige. Eine hohe Zungenfreiheit ist aber alles andere als pferdefreundlich. Spätestens die Röntgenaufnahmen des Stuttgarter Tierarztes Dr. Peter Witzmann machen deutlich: Die Zunge verschwindet beim Reiten nahezu vollständig zwischen den Unterkieferästen. Selbst ein nur leicht gebogenes Mundstück ohne extra ausgearbeitete Zungenfreiheit schränkt die Zunge kaum ein. Eine hohe Zungenfreiheit jedoch kann sogar in den Gaumen drücken.

Selbstredend ist auch von Bedeutung, wie dick das Kandarengebiss ist. Es ist ja eine ganze Menge Metall, die ein Pferd mit Kandare und Unterlegtrense auf vergleichsweise kleinem Raum in seinem Maul unterbringen muss. Entsprechend klar sind die Bestimmungen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) für den Einsatz der Kandare formuliert.

Kinnkette

Ebenso wie Anzüge und Zungenfreiheit hat auch die Kinnkette einen maßgeblichen Anteil an der Intensität, die von einer Kandare ausgehen kann. Zu stramm eingehakt, klemmt sie und das Pferd hat Schmerzen. Erst recht bei verdreht eingehakten Kinnketten. Mittlerweile gibt es neue Modelle, die das Ausdrehen überflüssig machen. Gummi- oder Gelgepolsterte Unterlagen können ebenfalls Probleme verhindern.

Das Kandarengebiss – verschiedene Varianten

Für einen guten Start in die Kandarenkarriere muss die passende Kandare gefunden werden. Wenn man seine erste Kandare kaufen möchte, sollte man sich am besten Beraten lassen, damit man die für das eigene Pferd richtige Kandare findet. Reiter, die nur ein Pferd haben, werden zunächst nicht viele verschiedene Mundstücke zur Verfügung haben. Ein Profi wie Oliver Luze, Derby-Zweiter mit dem Holsteiner Hengst Carabas in Jahr 2010, kann da aus dem Vollen schöpfen. In der Sattelkammer hängen viele Gebisse: mit langen und kurzen Anzügen, mit hohen Zungenfreiheiten, aus unterschiedlichen Materialien.

In den vergangenen Jahren hat sich bei der Produktion von Kandarengebissen einiges getan. Früher wurden die Zungenfreiheiten parallel zu den Anzügen gearbeitet: Bei angenommenem Kandarenzügel bewegte sich die Zugenfreiheit im Innern des Pferdemauls nach vorn, mit der Gefahr den Gaumen zu berühren. Heutzutage gibt es Pferdegebisse, bei denen der gewölbte Teil oder die Zungenfreiheit nicht mehr auf Höhe der Anzüge gefertigt sind, vielmehr ist dieser Bereich nach vorne gearbeitet. Jetzt kippt nichts mehr in Richtung Gaumen, sondern die Auswölbung nähert sich der Zunge an, ohne diese dabei einzuengen. Das Pferd hat mehr Platz im Maul. Viele Pferde kommen mit diesen Konstruktionen gut zurecht.

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Mehr Leder, mehr Metall – Kandaren warten auf ihren Einsatz. (© www.toffi-images.de)

Ideal im 45° Winkel

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Der 45-Grad-Winkel bei aufgenommenen Zügeln. So sollte die Verschnallung einer Kandare aussehen! (© www.toffi-images.de)

Im Idealfall sollen Maulspalte und Anzug einen 45-Grad-Winkel bilden. Das ist Theorie, permanent kann man dieses Ideal nicht erreichen. „Es ist auch eine Frage des Reiters“, sagt Oliver Luze. Er selbst reite gerne so, dass die Pferde „von alleine an die Hand heranziehen“ und er nur eine minimale Verbindung nach vorne spüre. Dabei könne der Idealwinkel schon mal größer werden, die Kandare die Tendenz haben, durchzufallen. Wichtig sei, dass die gleichmäßige Verbindung bestehen bleibt.

Allerdings nehmen manche Reiter eine permanent durchfallende Kandare bewusst in Kauf. Sie verschnallen die Kinnkette entsprechend weit. Dabei können diese Pferde mitunter die Zunge hochziehen und dabei den gesamten Kopf-Halsbereich sehr hoch tragen. Die so erzeugte Muskulaturverkrampfung setzt sich über die Schulter bis in den Rücken fort. Nicht selten führt das in der Passage aufgrund des „ausdruckstarken Vorderbeins“ zu besseren Punkten.

Unterschied im Material

Neben Metallkandaren gibt es auch Mundstücke, die aus Kunststoff gefertigt sind. Oliver Luze zeigt auf ein flexibles Gebiss, das er mit der Hand regelrecht verdrehen kann. „Für ein Pferd, das auf jeder anderen Kandare null Maultätigkeit hatte, war das genau das richtige.“

Kandarenzügel richtig führen

Eine weitere Variable beim Reiten auf Kandare ist die Zügelführung. Gängig ist die geteilte Zügelführung. Dabei gibt es unterschiedliche Arten, wie Trensen- und Kandarenzügel verlaufen. Oliver Luze sagt, für ihn sei die angenehmste Zügelführung diejenige, bei der sich die Zügel nicht überkreuzen würden. „Wenn etwas passiert, kann ich einfach die Zügelfaust öffnen und die Zügel durchgleiten lassen, ohne dass irgendetwas blockiert.“ Weitere Methoden, wie die Fillis-Zügelführung (Kandarenzügel unterhalb des kleinen Fingers, Trensenzügel zwischen Zeigefinger und Daumen) oder 3:1, wobei beide Trensenzügel in eine Hand laufen, sieht man nur noch selten.

Für welche Gebissvariante und Zügelführung man sich auch entschieden hat, einen Merksatz aus den Richtlinien für Reiten und Fahren sollte jeder Reiter beherzigen: „Beim Reiten auf Kandare muss der Reiter sein Zügelmaß besonders häufig und sorgfältig überprüfen.“

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Überkreuz verlaufen die Zügel hier, wobei der Kandarenzügel hier zwischen Mittel- und Ringfinger aufgenommen ist. (© www.toffi-images.de)

Kandare richtig verschnallen

14 Millimeter dick muss das Kandarengebiss bei Pferden mindestens sein, so sieht es die Leistungsprüfungsordnung (LPO) der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) vor. Die Unterlegtrense darf die Dicke von 10 Millimetern nicht unterschreiten. Das Kandarengebiss ist schmaler als die Unterlegtrense, weil diese durch das Gelenk oder (im Falle eines häufig eingesetzten doppelt gebrochenen Gebisses) die Gelenke einen leichten Bogen beschreibt. Als Faustregel kann man einen etwa einen halben Zentimeter breiteren Wert zugrunde legen. Bei Pferden mit wulstigeren Lippen kann es sinnvoll sein, zu einem etwas breiteren Kandarengebiss zu greifen, damit die empfindliche Haut in der Maulspalte nicht gequetscht wird.

In den Richtlinien für Reiten und Fahren Band I lautet die Empfehlung für die Hebelverhältnisse von Ober- zu Unterbaum 1:1,5 bis 2. Dabei dürfen die Anzüge nicht länger als zehn und nicht kürzer als fünf Zentimeter sein. Das gilt allerdings nur für den Einsatz in Dressurprüfungen, in allen anderen nationalen Wettbewerben definiert die LPO die maximale Länge von Kandarenaufzügen mit sieben Zentimetern.

Die Kinnkette mit ihren verwunden geschmiedeten Einzelteilen wird rechts in den dafür vorgesehenen Haken eingehängt. Sie muss auf jeden Fall ausgedreht werden, so dass die Kette eben in der Kinnkettengrube unterhalb der Maulspalte aufliegt. Die Kinnkettenhaken zeigen stets nach vorne. Sie dürfen wegen des Verletzungsrisikos nicht nach innen verbogen sein. Die Kinnkette wird abschließend von außen eingehakt. Eventuell übrig gebliebene Kettenglieder hängen außerhalb des linken Hakens. Ist die Kette so lang, dass mehrere Kettenglieder herumbaumeln, werden sie gleichmäßig auf beide Seiten verteilt – dabei sollen bei ungerader Anzahl der übrigen Kettenglieder stets links mehr hängen.

Kandare richtig verschnallen

Für jedes Pferd muss die Kandare genau angepasst und korrekt verschnallt werden, da jeder Pferdekopf individuell ist und sicher der Druck richtig verteilen muss. Ob das Verschnallen gelungen ist, sieht man, wenn man den Zügel aufnimmt: Bei eintretender Hebelwirkung sollen Unterbäume und Maulspalte in einem 45-Grad-Winkel zueinander stehen. Ist der Winkel kleiner und die Kandare „strotzt“ ist die Kinnkette zu kurz verschnallt, die Einwirkung der Kandare wäre zu stark. Umgekehrt führt eine zu lange Kinnkette dazu, dass die Anzüge beinahe parallel zum Nasenriemen verlaufen und die Kandare „fällt durch“. Das Kandarengebiss wirkt nicht wie gewünscht auf die Laden (zahnloser Bereich im Unterkiefer), sondern auf die Maulwinkel (wie das Trensengebiss) ein.

Die Maulspalte des Pferdes darf beim korrekten Verpassen der Kandare nicht unterschätzt werden. Entscheidend ist, dass die Kandare wirklich passt. Es gibt viele Pferde mit vergleichsweise kurzen Maulspalten, in denen zwei Gebisse gerade so Platz finden. Hier empfiehlt es sich, „platzsparende“ Gebisse zu verwenden.

Kandarenreife – wann ist das Pferd bereit?

Bevor das Pferd erstmals mit den zwei Gebissen im Maul konfrontiert wird, muss es alle Lektionen der Klasse L sicher gehen können. Es muss sich versammeln lassen in Trab und Galopp, Außengalopp und Schulterherein müssen eine Selbstverständlichkeit sein. Das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen im Trab und daraus wieder aufnehmen darf kein Problem darstellen. „Das Pferd muss in Gebrauchshaltung gehen können“, sagt Dressurreiter Rainer Schwiebert. Eine sichere Anlehnung auf Trense, also relativ aufgerichtet, mit der Nase vor der Senkrechten und dem Genick als höchsten Punkt, ist Grundvoraussetzung. Wichtig ist, dass es dabei gleichmäßig an beide Zügel herantritt, also gerade gerichtet ist.

Gibt es hier klare Ausbildungsmängel, sollte man zunächst noch auf den Einsatz der Kandare verzichten, gerade in Wendungen, wenn das Pferd gestellt wird, neigen weniger erfahrene Reiter dazu, den inneren Kandarenzügel zu stark anstehen zu lassen. Man kann auch zunächst auf Wassertrense lösen, das Training unterbrechen, neu auftrensen und dann auf Kandare weiterreiten. Stets gilt es, sich den Satz, wonach die Anlehnung nicht „schwerer“ sein soll, als das Gewicht des Zügels, ins Gedächtnis zu rufen. Und Kandarenzügel sind meistens schmaler als Trensenzügel.

Die richtige Gewöhnung an die Kandare

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Bei Lektionen, die Stellung erfordern: Achtung! Vorsichtig mit dem inneren Kandarenzügel. (© www.toffi-images.de)

Die Gewöhnung an die Kandare ist nicht schwer. Gearbeitet wird so wie sonst auch, nur mit dem Unterschied, dass man beobachtet wie das Pferd mit der neuen Aufgabe zurecht kommt. Behutsam sollte man beim ersten Versuch das Pferd an die Kandare nehmen und darauf achten, dass der Kandarenzügel nur minimal ansteht. Verhält es sich, weil es nicht an die ungewohnten Gebisse herantreten möchte, wird der Reiter versuchen, das Pferd wieder zur Losgelassenheit zu bringen. Das A und O ist ein schwingender Rücken. Blockiert das Pferd in der Oberlinie aufgrund der neuen Situation, kann Leichttraben helfen. Wobei der Kandarenzügel weiterhin leicht ansteht. Ihn durchhängen zu lassen, wäre kontraproduktiv, da die Kandare dann nicht mehr ausbalanciert im Maul liegt und die Irritation des Pferdes verstärken könnte.

„Stellen immer nur mit dem Trensenzügel“, gibt Rainer Schwiebert seinen Schülern außerdem mit auf den Weg. Schenkelweichen und Tempounterschiede in einer Gangart können in dieser Kennenlernphase hilfreich sein. Kurzum: Alles, was die Durchlässigkeit verbessert, steht hoch im Kurs. Überstreichen, auch wenn das in Prüfungen, die auf Kandare geritten werden, auf Turnieren nicht mehr gefordert wird, ist ein wichtiger Prüfstein: Trägt mein Pferd sich oder habe ich (unbewusst) durch die enorme Kraft der Kandare das Pferd in eine Form gepresst?

Es gibt Pferde, die überhaupt keine Anpassungsprobleme haben. „Ich hatte schon häufiger Pferde, die auf Kandare deutlich mehr gekaut haben als vorher auf Wassertrense“, sagt Oliver Luze.

Fehler mit der Kandare – Feinabstimmung korrigieren

Wenn es in der Feinabstimmung nicht funktioniert, tauchen unterschiedliche Fehler auf. Hier die drei, die am häufigsten durch die Kandare (mit-)verursacht werden.

Zu viel KandareDas Pferd rollt sich auf, bohrt nach unten (siehe unten), tritt nicht an die Hand heran. Alles klare Zeichen, dass die Hebelkraft der Kandare zu stark ist. Das Pferd soll an das Trensengebiss herantreten, das Stangengebiss der Kandare dient lediglich zur Feinabstimmung. Oftmals treten diese Fehler auf, wenn Reiter meinen, durch die stärkere Handeinwirkung das Pferd versammeln zu können. Und dabei vergessen, dass der Rücken dann aber blockiert wird und das Pferd nicht vermehrt unter den Schwerpunkt tritt und Last aufnimmt.
Verkanten/VerwerfenStets ein Zeichen für einseitige Zügeleinwirkung. Eine Wassertrense mit einem oder zwei Gelenken verzeiht zu starken Zug an einem Zügel bzw. gleicht ihn in Maßen aus. Bei dem starren Stangengebiss geht das nicht. Das Pferd kann gar nicht anders, als sich verwerfen.
Zu eng bei hoher Reiterhand„Hohe Hand zäumt, tiefe Hand bäumt“, noch so ein Spruch, der in diesem Fall wahr ist. Nimmt der Reiter die Hände höher, verändert das die Winkel des Kandarengebisses, das jetzt noch massiver einwirkt. Reiter, deren Pferde zu eng im Hals gehen und meinen, das durch eine hohe Hand korrigieren zu können, erreichen meistens das Gegenteil.
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Falsch verstandene weiche Einwirkung: Herumbaumelnde Kandarenzügel können auch beim Leichttraben das Pferd irritieren. (© www.toffi-images.de)

Kann ich Kandare?

Eigentlich haben alle dasselbe Problem, wenn sie beginnen, auf Kandare zu reiten. „Meistens verwerfen sich die Pferde, weil die ungeübten Reiter ungleichmäßig mit der Hand einwirken“, sagt Rainer Schwiebert. Meist wird das Pferd zu stark nach innen gestellt und verwirft sich. Ein Problem, das eigentlich leicht zu lösen ist, wenn der Reiter unabhängig von der Hand sitzt. Und genau das ist der entscheidende Punkt. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sich selbst zu überprüfen, ob man dieses Kriterium erfüllt.

Kandarenanfänger gehören auf Pferde, die mit dieser Zäumung vertraut sind und keine Probleme haben. Nur so kann sich der Reiter zunächst auf die ungewohnte Situation einstellen. Muss er sich auch noch Gedanken machen, wie er das Pferd an den Zügel gestellt bekommt, wäre das ein denkbar schlechter Auftakt in dieses neue Kapitel der reiterlichen Ausbildung.

Kandare richtig aufnehmen

Wer das erste Mal mit Kandare reitet, kennt das große Fragezeichen, das sich auftut, wenn man die Zügel aufnehmen möchte. Selbst wenn man sich vor dem Aufsteigen schon einen Plan gemacht hat, sieht von oben betrachtet alles anders aus. Wie spreize ich welche Finger auseinander, um die Zügel aufzunehmen? Bei den beiden gängigsten Arten, die Zügel zu führen führt der Trensenzügel wie gewohnt zwischen kleinem und Ringfinger hindurch: Der Kandarenzügel wird dann entweder unterhalb des kleinen Fingers oder zwischen Mittel- und Ringfinger gehalten. Mit welcher Zügelführung man zurechtkommt, sollte jeder selbst ausprobieren. Einige kommen gut mit dem über Kreuz verlaufenden Zügeln zurecht, anderen wiederum ist es angenehmer, wenn die Kandare einfach der untere Zügel ist. Die 3:1-Führung, bei der ein Trensenzügel in der einen, und die Kandarenzügel plus Zweiter Trensenzügel in der anderen Hand gehalten wird, ist für Anfänger nicht zu empfehlen.

GUT ZU WISSEN

Tipps für Neueinsteiger

Rainer Schwiebert hat einen Tipp für „Neueinsteiger“ im Reiten mit vier Zügeln parat: „Erst einmal ein weiteres Zügelpaar in den Trensenring eines auf Wassertrense gezäumten Pferdes einschnallen“. „So lässt sich das Gefühl für zwei Zügel pro Hand entwickeln, ohne dass das Pferd gestört wird“.

Mit diesen beiden Zügeln kann man üben, dosiert Hilfen zu geben: Mal „mehr Kandare“, mal „mehr Trense“. Ist der Reiter sicher im Umgang mit vier Zügeln – und kann auch auf der Mittellinie halten, grüßen, und problemlos die Zügel mit einem sicheren Griff wieder aufnehmen – kann das erste Mal die Kandare zum Einsatz kommen. „Ich fordere die Schüler dann auf, zunächst die Kandare durchhängen zu lassen und nur den Trensenzügel wie gewohnt aufzunehmen“, sagt Rainer Schwiebert.

Vor- und Nachteile einer Kandare

Wer sich mit der Kandare auseinandersetzt, kommt schnell zu der Erkenntnis, dass es kein schwarz und weiß gibt. Profis wie Rainer Schwiebert und Oliver Luze bestätigen das. Beide haben etliche Pferde bis Grand Prix ausgebildet. Ein Patentrezept, welcher Pferdetyp mit welcher Kandarenzäumung am besten zurechtkommt, haben aber auch die Pferdewirtschaftsmeister, mit zusammen mehr als 60 Jahren Ausbildungserfahrung, nicht parat. Eines steht allerdings für beide fest: „Jedes Pferd reagiert anders“.

Richtig eingesetzt hilft die Kandare dem Reiter, noch unsichtbarere und feinere Hilfen geben zu können. Deshalb vertreten Koryphäen wie Reitmeister Klaus Balkenhol und der ehemalige Oberbereiter der spanischen Hofreitschule, Johann Riegler, die Meinung, dass die Kandare unbedingt beibehalten werden müsse. Auch der verstorbene Bundestrainer Holger Schmezer wies auf den Wert der Kandare gerade für das feine Reiten hin. Nur der Missbrauch der der Kandare zu eigenen Hebelwirkung müsse gestoppt werden.

Kandare im Turniereinsatz (LPO)

Drei Formen von Kandarengebissen sind erlaubt. Die Standardvariante, die KK-Conrad-Kandare mit vorgewölbter Zungenfreiheit und die S-Kandare, bei der die Aufzüge nicht rechtwinklig zur Stange verlaufen, sondern S-förmig geschmiedet sind. Die Mindestdicke der Kandarengebisse beträgt bei Pferden 14, bei Pony Kandaren zehn Millimeter. Die Unterlegtrense muss mindestens zehn Millimeter dick sein.

Die Länge der Kandarenanzüge darf zwischen fünf und zehn Zentimetern variieren. Zulässig sind nur feststehende, nicht drehbare Anzüge. Die Zungenfreiheit darf nicht höher als 30 Millimeter ausfallen. Materialien: Kandarengebiss und Unterlegtrense dürfen aus Metall oder Kunststoff gefertigt sein, unterschiedliche Metalle und Kunststoffe sind kombinierbar: Die Ausnahme bilden nachweislich gesundheitsschädigende Kombination. Unterlegtrensen – nur in Verbindung mit Kandare oder S-Kandare – dürfen auch in gebogener Form mit Zungenwölbung, in doppelt gebrochener Form, oder als Olivenkopftrense eingeschnallt werden. Die Kinnkette ist für Kandarenzäumung vorgeschrieben, Kinnketten-Unterlagen sind zulässig.

Texte © Jan Tönjes/St.GEORGair jordan 1 factory outlet | cheap air jordan 1 shoes

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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  1. Ralf Claus

    Hallo Herr Tönjes,
    ihr Artikel hat mir gefallen. Sie haben das Reiten auf Kandare gut erklärt. Seit mehr als 30 Jahre sehe ich sehr oft, dass die Backenriemen der Kandare sich sehr nah am Auge befinden. Dieses sollte von den Herstellern verbessert und geändert werden. Viele bzw. die meißten Kandarengebisse sind in einer geraden Form mit mehr oder weniger Zungenfreiheit erhältlich. Ich bin der Meinung, dass Kandarengebisse welche zur Vorderseite hin geneigt sind, besser für das Pferd sind. Zudem gibt es seit 10 Jahre anatomische C&B Kandarengebisse der Firma Lancade. Diese Gebisse wurden der Anatomie des Pferdemauls angepasst. Viele Reiter sind von diesen Modellen begeistert. Zudem gibt es auch C&B Kandarengebisse aus Titan. Diese C&B Gebisse liegen zudem ruhiger als die herkömmlichen Kandarengebisse im Pferdemaul. Der Druck wird auf das gesamte Maul gleichmäßig verteilt.

  2. Cosima

    Sehr geehrter Herr Tönjes,

    ein sehr schöner Artikel zur Kandare.

    Ein Punkt könnte noch hinzugefügt werden: Sperrriemen bei Kandaren. Ich habe diese oft bei 5* Springturnieren im Einsatz gesehen und habe mich stets gefragt, wieso das von den internationalen Regelungen gebilligt wird.


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