Der Reitersitz – Korrekturen gezielt und wirksam umsetzen

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(© Jacques Toffi)

Reitlehrer haben ein großes Repertoire an Sprüchen, um dem Reiter klar zu machen: Das kannst Du besser! Doch sind Korrekturen wie: „Kopf hoch, Hacken tief“ wirklich hilfreich? Was steckt hinter diesen Kommandos und wie gelingt es dem Reiter, seinen Sitz zu verbessern?

Richtige Worte wählen: Unzählige Faktoren spielen eine Rolle, damit der Reitersitz besser wird – auch die Korrekturen des Reitlehrers. Doch welche Worte wählt er – und warum?

„Der richtige Sitz ist die Grundlage jeder reiterlichen Einwirkung“ heißt es in den Richtlinien für Reiten und Fahren. Zweifellos sind die Begriffe Sitz und Einwirkung untrennbar miteinander verbunden, aber eines steht ebenfalls fest: Egal ob der Reiter „richtig“ oder „falsch“ sitzt – eine (Ein-)Wirkung hat dies auf jeden Fall auf das Pferd! Denn nicht nur der korrekte Sitz, sondern auch der nicht korrekte Sitz beeinflussen das Pferd. Sitzt der Reiter geschmeidig und geht auf die Pferdebewegung ein, fällt es dem Pferd leicht, sich ebenso geschmeidig unter dem Reiter zu bewegen. Sitzt der Reiter dagegen verkrampft und bewegt sich unrhythmisch, so kann man dies auch dem Pferd ansehen. Es läuft eventuell auf der Vorhand, schwingt nicht über den Rücken oder geht nicht durchs Genick.

Sprüche klopfen?

Jacques Toffi

Ist es der leichtere Weg, Sprüche zu klopfen, einfach „Kopf hoch, Hacken tief“ zu rufen, weil das sowieso irgendwie immer stimmt? Sind diese alten Reitlehrer-Sprüche überhaupt hilfreich, können sie den Reiter verbessern? Oder sollte man, um schnellere und vielleicht sogar bessere Erfolge zu erzielen, seine Wortwahl verändern?

Wir erläutern, warum es in der Tat wichtig und richtig ist, beim Reiten eine bestimmte Form, zum Beispiel den tiefen oder federnden Absatz, im Hinterkopf zu haben. Weil damit bestimmte Funktionen erfüllt werden, die wichtig sind, damit sich das Reiten zu einem erfolgreichen und harmonischen Unternehmen entwickelt!

Wortwahl bezieht sich oft auf die Form: Korrekter Reitersitz

Unzählige Bücher beschreiben akribisch, wie der Reiter sitzen sollte. Es werden Linien gezogen von der Schulter über die Hüfte zum Absatz. Der Eindruck entsteht, der Reiter müsse nur seinen Körper in eine Art Schablone pressen, dann klappt das schon mit dem olympiareifen Auftritt. „Wie gemalt“ soll der Reiter sitzen …

Trotzdem sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass kurze, knackige Kommandos wie „Kopf hoch, Hacken tief“ auch zu Missverständnissen führen können. Wichtig ist: Man muss verstehen, was dahinter steckt!

Wie wichtig ist die Funktion?

Jacques Toffi

Die Wissenschaft weiß schon lange, dass in jeder Sportart die Priorität nicht auf dem Idealbild, sondern auf der idealen Ausführung einer Bewegung liegt. „Jeder Reiter ist anders und dies muss noch stärker berücksichtigt werden“, bestätigt Dr. Julia Schmidt. „Im täglichen Unterricht wird zu wenig Rücksicht auf die Individualität der Reiter gelegt. Alter, Körperbau, Körperhaltung, Kondition, individuelle Beweglichkeit und viele weitere Faktoren spielen eine Rolle bei der Auswahl der zielführenden Korrektur!“

Der Sportwissenschaftler Eckart Meyners prägte den Leitsatz „Funktion vor Form“ und fordert andere Formulierungen im Reitunterricht. Salopp gesagt steht er auf dem Standpunkt, dass formelle Forderungen wie „Absatz tief“ sogar teilweise außer Kraft gesetzt werden können, solange das Ergebnis stimmt, also die Funktion erfüllt wird (z.B. dass das Pferd versammelt galoppiert). Meyners entwickelte für Berufsausbilder ein Konzept, das abweicht von den althergebrachten Sitzkorrekturen und hinführt zu einem individuellen, funktional geprägten Ausbildungsweg.

Besserer Reitersitz – Kopf hoch!

Jacques Toffi

Zu tief, zur Seite geneigt, zu steif, zu wackelig … Wie kann es gelingen, dass der Reiter seinen Kopf hochnimmt? Und woran kann es liegen, wenn er das nicht schafft?

Der Reiter soll seinen Kopf frei und ungezwungen tragen, ohne im Hals- oder gar im Schulterbereich Verspannungen zu entwickeln. Er muss die Übersicht über die Reitbahn behalten und darf darum nicht auf den Hals oder die Schulter des Pferdes schauen. Man weiß, dass der Blick den Körper „lenkt“. Wenn man also zum Beispiel nach links schaut, dreht sich der Körper auch in diese Richtung mit. Das Kommando „Kopf hoch“ ist aber leider eine komplett auf die Form bezogene Korrektur. Sie geht kein bisschen darauf ein, dass vielleicht das Problem woanders liegen könnte. Besser wären Anregungen wie: „Augen geradeaus, schau dich um, blick durch die Ohren des Pferdes auf die Linie, die du reiten möchtest.“

Neues etablieren – nur wie?

Ein Bewegungsmuster, das man in seinem Gehirn einmal als richtig abgespeichert hat, zu verändern, ist schwer. Es genügt nicht, etliche Male pro Reitstunde daran erinnert zu werden, dass man den Kopf hoch nehmen soll. Es ist ganz normal, immer wieder in die alten Gewohnheiten zurückzufallen.

„Um langfristig an einem Sitzfehler etwas zu ändern, sind sogenannte Kontrasterfahrungen nötig“, weiß Rolf Grebe. Das heißt: Statt zum Beispiel den Kopf einfach nur immer wieder hoch zu nehmen, sollte man ihn übertrieben nach rechts, links, oben und unten neigen, in verschiedenen Situationen, nicht nur auf dem Pferd, sondern auch z.B. auf dem Bürostuhl. Und zwar über Monate!

Negative Auswirkungen auf den Reitersitz

Die meisten Reiter schauen auf den Hals des Pferdes. Andere „wippen“ in der Bewegung mit oder neigen ihren Kopf zur Seite. Das hat Folgen, denn alles, von Kopf bis Fuß, beeinflusst den Reitersitz. Allein am Tragen des Kopfes sind rund 30 Muskeln beteiligt – und wenn der Reiter seinen Kopf senkt oder seitlich neigt, sind diese Muskeln anders gedehnt und beansprucht, als wenn er seinen Kopf ausbalanciert und frei trägt. Der nicht frei und gerade getragene Kopf löst eine negative Muskelfunktionskette aus:

Reiter, die nach unten schauen oder ihren Kopf seitlich neigen, sitzen oft krumm oder sogar einseitig belastend (mit schiefer Hüfte) auf dem Pferd. Weitere Sitzprobleme können sich von oben nach unten durch den gesamten Reiterkörper ziehen. Je weiter der Reiter nach unten schaut, desto stärker kann dies sogar sichtbar werden an der Körperhaltung des Pferdes. Der Fokus verlagert sich auf die Vorhand, das Genick könnte zu tief kommen. Das Pferd kann aufgrund der negativen Muskelfunktionskette des Reiters nicht mehr optimal vorfußen.

Wo liegt die Ursache?

Jacques Toffi

Manchmal ist es vielleicht wirklich „nur“ eine falsche Angewohnheit, herunterzuschauen, dann wird es schnell gehen, dieses Sitzproblem zu verbessern.

Es kann aber auch sein, dass eine fehlerhafte Kopfhaltung ihre Ursache an anderer Stelle hat. Etwa von einer steifen Mittelpositur, einer schiefen Hüfte oder verkrampften Schultern kommt. Hier kommt man als Reiter allein nicht weiter. Ein Reitlehrer muss akribisch nach dem wirklichen Auslöser forschen, um diesen Haltungsfehler des Reiters dauerhaft zu korrigieren.

Tipps für einen besseren Reitersitz

Jacques Toffi

  • Lockern Sie die 30 Muskeln, die den Kopf tragen, indem Sie beim Schrittreiten nach rechts und links sowie nach oben und unten schauen.
  • Gewöhnen Sie sich an, in den Schrittpausen Ihre Kopf- und Schultermuskulatur durch Drehbewegungen zu lockern.
  • Der Körper folgt dem Kopf. Darum versuchen Sie, Ihren Blick durch die Pferdeohren ca. fünf bis zehn Meter vor dem Pferd dorthin zu richten, wo Sie hinreiten wollen.
  • Reiten Sie zur Abwechslung um Stangen oder Pylonen oder vertauschen Sie mal die Buchstaben im Viereck, um sich „automatisch“ mehr umzuschauen!
  • Übertreiben Sie, machen Sie mal etwas anderes. Schauen Sie (beim Schrittreiten!) in den Himmel, legen Sie eine Hand auf Ihren Kopf, lockern Sie sich selbst, indem Sie ein paar Grimassen ziehen (das löst Spannungen im Kieferbereich).
  • „Drehen“ Sie die Augen gegen den Kopf. Das heißt: Schauen Sie nach rechts, obwohl der Kopf nach links gedreht wird und anders herum. Damit brechen alte Bewegungsmuster auf und schaffen Platz für eine neue, verbesserte Kopfhaltung!

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