Sarkoid beim Pferd: Kältetherapie gegen Tumore

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Sarkoide treten immer häufiger auf und sind nicht einfach zu behandeln. (© St.GEORG)

Sarkoide treten immer häufiger auf und sind nicht einfach zu behandeln. Tierärztin Dr. Christina Becker hat schon viele Methoden ausprobiert und Studien durchgeführt. Ihr Mittel der Wahl ist die Kältetherapie. Wir haben einen Fall begleitet.

Wenn Dr. Christina Becker auf die Reitanlage fährt, um ein fortgeschrittenes Sarkoid zu entfernen, kann es ziemlich schnell ganz schön kalt werden. Bis zu minus 30 Grad, um genau zu sein. Die Tierärztin aus der Nähe von Hamburg setzt bei der Behandlung der Tumore auf Vereisen („Kryotherapie“). Ihr heutiger Patient ist der siebenjährige Sandor. Er hat ein fleischig aussehendes Sarkoid am Bauch, das trotz Behandlung mit Cremes, Thuja-Globuli und -Tinktur nicht kleiner geworden ist. „Sarkoide sind durch bovine Papillomaviren verursachte Tumore, die verschiedene Formen annehmen können“, erklärt Dr. Christina Becker. „Je nach klinischem Befund, der Lage und der Art des Tumors unterscheiden sich die Behandlungsmethoden.“ Es gibt unterschiedliche Sarkoidformen: Manche sehen aus wie Hautpilz, andere wie Warzen oder Knötchen, manchmal liegen Knoten auch unter der Haut. Geht ein Knötchen auf, kommt wildes Fleisch zum Vorschein, so wie bei Sandor.

Sarkoide treten nach Ansicht der Tierärztin in den letzten Jahren immer häufiger auf. Sie schätzt, dass in jedem Stall ein Drittel der Pferde davon betroffen ist, die Krankheit in der unauffälligen Variante aber kaum wahrgenommen wird. Zwar gelten Sarkoide nicht direkt als tödlich, doch sie können Pferde stark einschränken und im schlimmsten Fall so beeinträchtigen, dass diese eingeschläfert werden müssen. Daher sollte ein Sarkoid so früh wie möglich behandelt werden.

Sarkoid: Erster Behandlungsversuch mit Salbe

Beim ersten Behandlungsversuch rät die Tierärztin zu Aciclovir Salbe, ein Virostatikum, das die für Sarkoide verantwortlichen Papillomaviren unschädlich machen soll. Vor allem bei der Therapie von Sarkoiden am Kopf hat Dr. Becker gute Erfahrungen damit gemacht. Auch eine Thuja-Tinktur kann zum Einstieg angewendet werden, beim Menschen wird sie erfolgreich gegen Warzen eingesetzt. Für Pferde empfohlen wird auch das Bienenprodukt Propolis, das eine antibakterielle und entzündungshemmende Wirkung hat. Den gegenteiligen Effekt aber mit gleichem Ziel hat die Salbe Aldara.

„Sie wird beim Menschen zur Warzenbehandlung eingesetzt und bewirkt eine Entzündungsreaktion. Man behandelt das Sarkoid mit der Salbe, wartet ab, bis sich der Tumor entzündet hat und hört dann mit der Behandlung auf“, so Dr. Becker. Die Hoffnung ist, dass der Tumor durch die Entzündung abstirbt und abfällt. Helfen Salben und Co. nicht weiter, entfernen einige Tierärzte das Sarkoid chirurgisch. „In 80 bis 85 Prozent der Fälle funktioniert das. Aber bei 10 bis 15 Prozent explodiert das Sarkoid dadurch regelrecht“, weiß Dr. Becker. „Man schneidet auch in die Zelllage, wo neue Haut gebildet wird. Und dort sitzen bevorzugt die für das Sarkoid verantwortlichen Papillomaviren. Der Schnitt regt auch die Zellen mit diesen Viren an, sich extrem zu vermehren.“

Kryotherapie: Gezieltes Vereisen

Der Flüssigstickstoff wird in einer Art „Thermoskanne“ aufbewahrt und über eine Kanüle auf das Sarkoid gesprüht.

Aus diesem Grund bevorzugt die Tierärztin die Kryotherapie. In einer Art Thermosflasche hat Dr. Becker Flüssigstickstoff dabei, mit dem sie das Sarkoid von Sandor vereisen will. „Diese Methode eignet sich gut für fortgeschrittene Sarkoide. Sandors Sarkoid hat einen Durchmesser von zwei bis drei Zentimetern und ist einen guten Zentimeter dick. Es liegt an einer gut zugänglichen Stelle am Bauch“.

Mit einer speziellen Kanüle sprüht die Tierärztin den flüssigen Stickstoff gezielt auf das Sarkoid. Sie kühlt den Tumor auf minus 30 Grad herunter, bis er vollkommen eingefroren ist. Dann dreht sie den Flüssigstickstoff ab und wartet, bis der Tumor aufgetaut ist. Anschließend erfolgt das gleiche Prozedere ein zweites Mal. Durch das Vereisen werden Zellen zerstört und die Blutgefäße beschädigt. Der Tumor wird nicht mehr durchblutet, er stirbt ab. Noch aber rinnt etwas Blut aus Sandors Sarkoid.

Teilweise mehrere Behandlungen notwendig: Sarkoid

St.GEORG

Das Sarkoid wurde m
flüssigem Stickstoff it
vereist. Nach ein paar
Monaten ist das
Gewebe gut verheilt. (© St.GEORG)

„Viele Tumore sind stark durchblutet. Beim gezielten Abfrieren kann es vorkommen, dass das Gewebe beim Auftauen noch leicht durchblutet ist“, erklärt Dr. Becker und betupft die Stelle mit einer adstringierenden Lösung, sodass sich die Blutgefäße zusammenziehen. Je nach Tumorgröße ist die Behandlung nach ca. 30 bis 45 Minuten abgeschlossen, Sandors Besitzer zahlen 300 Euro dafür. War die Therapie erfolgreich, fällt das Sarkoid in 14 Tagen ab. Bei Sandor waren mehrere Sitzungen notwendig. Anschließend wurde die Wundstelle mit Aloe Vera Gel betupft.

Dr. Becker beschäftigt sich intensiv mit Sarkoiden, hat an Studien mitgewirkt und weiß, welche Produkte oder Verfahren aktuell möglich sind. Sie weiß von einem neuen Medikament, das bei Hunden zur Tumorbehandlung eingesetzt und derzeit in Pferdekliniken getestet wird. Stelfonta löst einen Gewebetod an der Tumorstelle aus. Die Behandlung muss in der Klinik durchgeführt werden, da größere Wunden entstehen können.

Gestresste Pferde sind anfälliger

„Das Problem bei den Therapien ist, dass nicht gegen die Ursache, also gegen die Papillomaviren vorgegangen werden kann. Diese Viren können im Körper wandern, sodass sich Sarkoide an weiteren Stellen bilden können. Daher ist es wichtig, die Viruslast gering zu halten und die Abwehr des Körpers zu unterstützen“, betont sie. „Besonders anfällig für Sarkoide sind Pferde, wenn sie unter Stress stehen: Fellwechsel, Futterumstellungen, bei Zinkmangel oder auch Turnierstress.“

Geforscht wird nach Therapien, mit denen auch die Papillomaviren in Schach gehalten werden. Vielversprechende Studien gibt es zu Interleukin 2, das im Körper Prozesse auslöst, die zum Abstoßen des Tumors und Zurückdrängen der Viren führen sollen. Für den alltäglichen Einsatz sind aktuell aber keine Produkte verfügbar. Die Vetmeduni Wien arbeitet an einem Impfstoff.

Fazit der Sarkoid-Behandlung mit Kälte

Die Kryotherapie ist aus Sicht von Dr. Becker aktuell ein gutes und vor allem harmloses Verfahren, um Sarkoide zu entfernen. „Auf der ehemaligen Tumorstelle bildet sich eine Kruste, unter der das Gewebe gut heilen kann – daher darf die Kruste nicht abgemacht werden, das würde das darunter liegende Gewebe reizen. Ein Entfernen des Sarkoids mit dem Laser bietet ebenfalls diesen Vorteil. Bestrahlen oder Chemotherapie sind auch gut, aber teuer.“

Sandors Sarkoid ist mittlerweile abgefallen. Geblieben ist eine haarlose Stelle am Bauch, weil beim Vereisen auch die Haarwurzeln abgetötet werden. Gut ist, wenn die Stelle glatt und flach aussieht (siehe Foto links). Verläuft die Wundheilung nicht so gut, wird das Vereisen wiederholt. Das kann im Durchschnitt zwei- bis dreimal nötig sein.

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