In jedem Jahr sorgt das Eindecken für reichlich Diskussionsstoff: Wann ist eine Decke nötig? Braucht das Pferd überhaupt eine? So funktioniert die Thermoregulation beim Pferd
Das Licht verändert sich, alles scheint einen Goldschimmer zu tragen. Abends wird es früher dunkel und die Temperaturen sinken. Es ist Herbst und die Pferde bekommen langsam aber sicher einen flauschigen Pelz. Doch der Herbst bringt auch seine Schattenseiten mit sich, das Fell ist nach einem Ausflug auf das matschige Paddock verklebt und nach dem Training dauert es lange, bis das Pferd trocken ist. Wie umgehen mit dem Pelz? Manch einer setzt auf frühzeitiges Eindecken, andere scheren den Winterpelz ab, während einige Eindecken für einen Eingriff in die Natur halten. Gibt es ein richtig oder falsch?
Thermoregulation beim Pferd
Die amerikanische Studie „Cold housing effects on growth and nutrient demand of young horses“ (Journal of Animal Science) ergab, dass Pferde wahre Anpassungskünstler sind: Tagsüber machen ihnen dreißig Grad so wenig aus, wie Minusgrade im zweistelligen Bereich in der Nacht. Schwankungen von vierzig Grad sind unproblematisch. Im Gegenteil, diese Extreme halten sogar gesund und bringen den Kreislauf in Schwung. Am wohlsten fühlen sich Pferde bei fünf bis fünfzehn Grad. Der Thermoregulationsmechanismus setzt erst unter minus zehn Grad ein, zuvor verzichtet der Körper auf zusätzliche Wärmeproduktion. Es handelt sich um einen komplizierten, aber sehr effektiven Mechanismus, anatomisch, physiologisch und verhaltenstechnisch. Vor allem Haut, Fell, Arterien und Schweißdrüsen sind daran beteiligt. Fett bedeutet Energie und ist dreimal so isolierend wie anderes Gewebe. Es entspricht vollkommen der Natur, wenn Pferde im Herbst bis zu 20 Prozent Gewicht zunehmen. Marcia Hathaway und Krishona Martinson von der University of Minnesota stellten in ihrer Studie „Equine winter care“ dar: Je mehr Fettreserven Pferde haben, desto weniger Fell benötigen sie.
Und der Fellwechsel ist eine Hochleistung für den Stoffwechsel. Diese Fettschicht ist gesund, da sie gleichmäßig über den Körper verteilt ist und sich nicht ablagert wie im Sommer. Um eine solche Fettschicht zu erlangen und zu erhalten, muss die Nahrungszufuhr gesteigert werden. Ideal ist Heu, teilweise verdoppelt sich die Ration pro Pferd. Die Verdauung langer Fasern steigert die Wärmeproduktion. Der Dickdarm ist quasi eine „eingebaute Heizung“ und wandelt 30 Prozent des Raufutters in Wärme um.
Fell, Fett und die Durchblutung sind strukturelle Maßnahmen der Thermoregulation. Von der Muskelenergie werden 35 Prozent in Bewegung umgewandelt, der Rest wird für Wärme aufgewandt, betonen die Amerikanerinnen. Oft sagen Pferdebesitzer: „Mein Pferd zittert, ihm ist kalt, es friert.“ Das Muskelzittern hat eine Funktion. Es kommt zum Adenosintriphosphat-Aufschluss (ATP) in den Muskeln und die Pferde „zittern sich warm.“ Bei gesunden Pferden hält das akute Zittern nur kurz an und wird bei Adaption an die Umgebung durch die normale, interne Wärmeproduktion ersetzt. Vier Fünftel der Stoffwechsel-Energie werden dabei verbraucht. Es handelt sich also weder um Frieren noch um eine Krankheit. Dennoch sollte man aufmerksam sein. Bei häufigem Muskelzittern besser den Tierarzt fragen. Die Haut ist eine Isolationsschicht. Ein kugeliger Körper reduziert die Körperoberfläche im Verhältnis zu seiner Masse nochmals, weshalb Nordponys schwere, kleine Körper mit kurzen Extremitäten haben. Die dickere Unterhautschicht bietet Fettreserven für die Thermoregulation.
Fellwechsel und Temperatur des Pferdes
Hathaway und Martinson ermittelten, dass die Wärmeisolation des Fells von Dicke und Dichte, Windgeschwindigkeit, sowie Temperatur und Feuchtigkeit abhängt. Der Fellwechsel wird durch den Photoperiodismus, also die Tageslänge, und auch die Außentemperatur gesteuert. Kaltes Klima bedingt dickes langes Fell, unabhängig von der Rasse. Das Winterfell kann bis zu 30 Prozent dichter ausfallen als das Sommerfell. Haarbalgmuskeln lassen die einzelnen Haare sich aufstellen, drehen oder anlegen. Der Kreislauf wird dadurch angeregt. Diese Muskeln müssen jedoch trainiert werden. Arteriell helfen zwei Mechanismen bei der Thermoregulation. Die Gefäßverengung verlangsamt den Blutfluss, um ein Auskühlen zu verhindern. Das Blut fließt nicht mehr so nahe an die Körperoberfläche und kühlt dadurch nicht ab. Die Konzentration des Blutes im Rumpf verkleinert die Oberfläche, die Wärme abstrahlt. Bei der Gefäßerweiterung kühlt das Blut an der Körperoberfläche ab und erfrischt beim Rückfluss ins Innere den Körperkern.
Die Pferdehaltung im Winter
Durch Schwitzen kühlt das Pferd sehr schnell aus, da Wasser beziehungsweise Nässe sehr gut Wärme leitet. Das Abkühlen durch Schwitzen funktioniert durch die sogenannte Verdunstungskälte. Um ein Auskühlen zu verhindern, stellen Freilufttiere sich an einen windigen Platz und drehen die Haare in diverse Richtungen. Sowohl Arterien als auch Schweißdrüsen müssen trainiert und gefordert werden. Dichtes Winterfell sorgt für Leistungseinbußen, das steht außer Frage. Die Kombination Kälte-Regen-Wind sollte vermieden werden, den Pferden sollte immer ein trockener Platz zu Verfügung stehen. Auch die Zusammensetzung hohe Leistung und warmer, mitunter stickiger Innenstall ist eher schlecht. Man sollte ein Pferd nicht zum Trocknen in einen geschlossenen Raum stellen. Zu schnell ist die Luft mit Feuchtigkeit übersättigt und nimmt keine weitere mehr auf, das Fell kann nicht trocknen. Besser ist es, Stroh und Heu unter die Abschwitzdecke zu legen und das Pferd dann trocken zu führen. Durch die Zwischenschicht ist eine Luftzirkulation möglich, ohne auszukühlen. Wer sein Pferd schweißnass reitet, muss lange trocken reiten. Nässe durch Schweiß ist weit schlechter als solche von außen. Feuchtigkeit direkt auf der Haut lässt das Pferd schnell unterkühlen. Viele Ställe sind heutzutage zu warm, sodass eine Schur und anschließendes Eindecken den Pferden sogar Erleichterung verschafft. Wir haben hier 10 Tipps, wie Sie Ihr Pferd scheren.
Die richtige Decke
Die richtige Decke fürs Pferd zu finden, grenzt schon fast an die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Es gibt zahlreiche Decken von vielen Herstellern, die sich auf den ersten Blick nur marginal voneinander unterscheiden. Als Entscheidungshilfe sollen Zeichen dienen, die Eigenschaften der Decke beschreiben: winddicht, wasserabweisend, atmungsaktiv, 120 Gramm-Füllung und 600 Denier Fadenstärke. Material und Füllung haben es in sich. Eine 600 Denier Nylon Pferdedecke ist beispielsweise stärker als eine 1200 Denier Baumwolldecke. Normalerweise gilt, je höher die Denier-Angabe, desto reißfester ist der Stoff. In diesem Fall gilt das nicht, da Nylon fester ist als Baumwolle.
Dabei steht Denier für das Gewicht pro Fadenlänge. Ein Denier entspricht einem Gramm pro 9.000 Meter. Grundsätzlich gilt, dass feinere Fäden ein geringeres Gewicht pro Länge haben als entsprechend stärkere Fäden. Aber die feineren Fäden sind deswegen nicht unbedingt weniger reißfest. Besteht eine Decke aus Baumwolle, so kann die Decke leicht, atmungsaktiv und strapazierfähig sein. Ballistisches Nylon legt noch einen drauf und gilt als nahezu unverwüstlich.
Wer sich eine Decke aus diesem Material zulegen möchte, kann sogar noch etwas mehr für sein Geld bekommen, dank einer Webtechnik, die die Reißfestigkeit erhöht: Ripstop. Vorstellen kann man sich das genähte Gewebe wie eine Rechenkästchenstruktur. Alle fünf bis acht Millimeter werden stärkere Fäden eingearbeitet und sorgen so für mehr Stabilität, vor allem wenn die Decke schon einen Riss hat, soll das Weitereinreißen damit erschwert werden. Diese Technik wird häufig bei Polyester-Decken eingesetzt.
Was bedeutet was?
∞ Wassersäule: zehn Zentimeter Stoff der Decke werden in ein Messrohr gespannt, Wasser wird eingelassen, pro Sekunde zehn Millimeter. Bilden sich Tropfen, die durch den Stoff dringen, wird die Wasserdichte anhand der Füllhöhe ermittelt.
∞ wasserabweisend: 800 bis 1.300 Millimeter Wasser
∞ wasserdicht: ab 1.500 Millimeter Wasser
∞ atmungsaktiv: meint die Wasserdampfdurchlässigkeit und wird in g / m / 24 h angegeben. Bedeutet: Wie viel Gramm Wasserdampf durch einen Quadratmeter in 24 Stunden entweichen können.
∞ Denier: Gewicht pro Fadenlänge. Ein Denier ist ein Gramm pro 9.000 Meter
∞ Füllung: Gramm pro Quadratmeter.
5 Dinge über’s Eindecken
1 Einmal Decke immer Decke
Zumindest in dem Jahr, in dem eingedeckt wird! Hat man sich fürs Eindecken entschieden, so muss dies auch konsequent verfolgt werden, da die Thermoregulation des Pferdes nicht trainiert wird und das Pferd friert, wenn die Decke abgenommen wird.
2 Das richtige Licht
Die Tageslichtmenge entscheidet darüber, ob das Pferd in den Fellwechsel kommt. Bedeutet, dass Pferde auch bei milden Herbsttemperaturen dicken Winterpelz bekommen, da sich die Intensität und Tageslichtdauer verändert, unabhängig von den Temperaturen. Diese beeinflussen aber noch die Länge und Dichte des Fells. Früh eindecken lässt das Fell also nicht so dicht werden, aber das Winterfell kommt trotzdem.
3 Wie dick darf es sein?
Zunächst beginnt man mit einer dünnen Übergangsdecke für die kühlen Nächte. Die kann auch tagsüber Verwendung finden, wenn es maximal fünfzehn Grad warm wird.
Bei unter zehn Grad am Tage kann man mit einer dickeren Decke aufstocken. In Nächten unter fünf Grad kann auf eine Decke mit 300-Gramm Füllung zurückgegriffen werden. Bei geschorenen Pferden sind 400 Gramm-Füllungen bis Minus zehn Grad ausreichend.
Wärmere Decken sollten nur bei sehr empfindlichen Pferden und wirklich kalten Temperaturen in Betracht gezogen werden. Achtung bei ungeschorenen Pferden, sie schwitzen schnell.
4 Lieber Regen als Schweiß
Schwitzt das Pferd, sei es im Winterfell bei der Arbeit oder unter einer zu warmen Decke, so ist dies fataler als Nässe von oben. Denn durch die Feuchtigkeit direkt an der Haut kühlt das Tier schneller aus und kann unter Umständen frieren.
Darum sollte man immer ausreichend Zeit zum Trockenreiten und Abschwitzdecken-Wechsel einplanen.
5 Halsteil – ja oder nein?
Ein Halsteil ist bei geschorenen Pferden nicht zwingend notwendig, aber er hält warm und trocken. Der Hals besteht zu großem Teil aus Muskeln und ist der Hals warm, wird auch der restliche Körper warmgehalten.
Die richtige Deckengröße finden
Der Sitz der Decke ist wichtig, so soll sie beim Toben auf Paddock oder Weide nicht verrutschen und möglichst keine Scheuerstellen verursachen. Als Faustregel gilt: Rückenlänge gleich Deckengröße. Dabei wird der Abstand zwischen Widerrist und Schweifansatz gemessen. Wichtig ist, dass das Maßband dabei auf dem Rücken aufliegt (rote Linie im Bild) Hat man eine Rückenlänge von 145 Zentimeter gemessen, empfiehlt sich eine Decke in der Größe 145. Wem das zu unsicher ist, der kann zusätzlich noch die Länge von der Brustmitte bis zur Rückseite des Hinterbeines messen (weiße Linie) Bei schlanken Pferden mit niedrigem Halsansatz kann man eine Nummer kleiner kaufen, bei muskulösen Tieren mit hohem Halsansatz, eine Nummer größer wählen. Bei einer Rückenlänge von 145 Zentimetern wäre das bei schlanken Pferden Größe 140 und bei muskulösen wiederum Größe 150.
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