Uta Gräf: Dressurreiten mit Spaß und Erfolg

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Pressure and Release in der Pferdeausbildung

Nach diesem Prinzip werden alle Jungpferde auf Gut Rothenkircherhof von Stefan Schneider angelernt. Der Tierarzt ist einer der erfolgreichsten Working Equitation Reiter Deutschlands, kennt somit die Prinzipien der Gebrauchsreiterei der spanischen Tierhirten, alles einhändig geritten.

Aber nicht nur diese reiterliche Schule hat sich Schneider zu eigen gemacht. Er ist einer, der Wissen aufsaugt. Seine Augen blitzen, wenn er über Pferde spricht. Über deren Probleme und wie man ihnen beikommen kann.

Seine Vorgehensweise ähnelt der,
 die Pferdeflüsterer weltweit in Shows zum Besten geben. Nur dass Schneider der Hang zum Messias fehlt. Er arbeitet lieber mit den Pferden. Zuhause, konzentriert, ohne Firlefanz und viel Tamtam. Es ist die Qualifikation, die Schneider ausmacht. Man könnte schon fast von einem Professor sprechen, der den ABC-Schützen den Weg weist.

Das Prinzip ist klar: Rangfolge klären, Pferde gezielt mit Situationen konfrontieren, in denen sie sich beweisen müssen. Dazu müssen sie sich gut führen lassen – das A und O in der ersten Klasse. Das Pferd lernt, seinem Alphatier Mensch zu folgen und dabei zu entspannen: „Der Boss ist da, ich bin in seiner Gegenwart sicher, er passt auf mich auf.“

Schneider lobt mit der Stimme, klopft die Pferde und hat auch ein Leckerli parat. Wohlfühlen müssen sich die Pferde, wenn „ihr Mensch“ in der Nähe ist. Das Grundvertrauen muss da sein. Darauf aufbauend lässt sich dann vieles erarbeiten, was zunächst unmöglich erscheint. Auch weil die Kommunikation immer feiner und immer leiser werden kann.

Das Pferd reagiert immer mehr auf die Körpersprache seines Anführers. Entdeckt es etwas Bedrohliches und will instinktiv flüchten, lernt es am Beispiel seines „direkten Vorgesetzten“, dass Flucht in diesem Fall nicht angesagt ist.

Julia Rau

Nach dem Pressure and Release Prinzip bereitet Stefan Schneider die Pferde auch in der Bodenarbeit vor. (© Julia Rau)

Grundausbildung: Bodenarbeit am Langzügel

Die Arbeit am Langzügel beginnt bei Stefan Schneider, bevor das erste Mal ein Sattel auf das Pferd kommt. Ein Longiergurt, eine Trense und zwei lange Seile anstelle der Zügel, mehr braucht es nicht, um dem Pferd zu helfen, die ersten Grundbegriffe von Lenkung, von vorwärts und verhalten zu lernen, ohne dass es ein Reitergewicht ausbalancieren muss.

Das Pferd konzentriert sich auf die Stimmkommandos, lernt Schenkelweichen und schultervorartiges Treten und wenn es dann doch mal Flausen im Kopf hat, kann Schneider ein Seil loslassen. Seiner Erfahrung nach beruhigt sich dann das Pferd schnell, schon weil die aufgegebene Anlehnung es auch kurzfristig verunsichert.

Ein besonders agiler Fünfjähriger geht noch heute häufig am Langzügel. „Der kann sich wie ein Irrer benehmen, da muss man nicht anfangen, reiterlich gegenzusteuern. Lieber von unten alles klären und erst aufsteigen, wenn die Spannung weg und das Gehorsam da ist.“

Und so kann es sein, dass man bei Turnieren in Rheinland Pfalz durchaus mal einem Pferd begegnet, gelenkt von seinem Ausbilder Schneider am langen Zügel. „Letzte Woche waren wir auf dem Turnier, und er war richtig blöd.“ Schneider ließ sich Zeit. Erst als alles geklärt war, nahm die Reiterin im Sattel Platz, ritt ein und … gewann!

Schneider also doch ein Monty Roberts? „Nein“, lacht der Tierarzt. „Aber“, sagt Uta Gräf, „als wir neulich mal bei einer Monty Roberts Show waren, habe ich bald mehr Autogramme schreiben müssen, als irgendwo anders.

Da haben wir gemerkt, wie diese unterschiedlichen Lager der Reiter sich immer mehr vermischen. Gut, gell?“ Stimmt!

In „Feines Reiten auf motivierten Pferden“ gehören für Uta Gräf so auch das Kapitel Bodenarbeit und Erziehung zur Lektüre. Sie geht nicht nur auf das Reiten selbst ein, sondern zeigt auch wie wichtig die Rahmenbedingungen Haltung und Fütterung für erfolgreiche & motivierte Pferde sind.

Wer mehr zum Training von Uta Gräf wissen und Ideen für`s eigene Training haben möchte, kann die aktuelle Auflage im FN-Verlag bekommen.

Ein gelassenes Pferd braucht Umweltreize

Wenn Stefan Schneider etwas aus der Ruhe bringen kann, dann der Ansatz vieler Pferdehalter, vornehmlich aus dem Dressurlager, die meinen, ihre Pferde vor Reizen abschirmen zu müssen.

„Geschlossene Reithallen, Longierhallen mit hohen Wänden – wenn es dann einmal draußen knallt, ist es doch klar, dass das Pferd drinnen reagiert.“ Da kann der Tierarzt nur den Kopf schütteln.

Auf Gut Rothenkircherhof hat
 der Longierzirkel eine Bande und Windnetze – so können die Pferde sehen und hören, was um sie herum passiert.

Gleichzeitig lernen sie, sich auf ihre Bezugspersonen zu konzentrieren, selbst wenn der Kumpel zehn Meter weiter auf dem Auslauf steht und an der anderen Seite ein spanischer Hengst im hormonellen Überschwang seine Stimmbänder strapaziert.

„Reize sind das Allerwichtigste. Reize und Bewegung.“ Ausreiten oder Führanlage – im Sommer geflutet, so dass eine Einheit im Wasserzirkel extra Muskeln aufbaut – gehören für Schneider dazu. Weidegang sowieso. Wer meint, das seinem Pferd nicht zumuten zu können, hat keine Chance bei Gräf und Schneider. Deckhengste stehen auf einzelnen großen Paddocks am Hang und haben feste Weidezeiten, mehrere Stunden am Tag.

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Mit Damon Jerome hat Uta Gräf schon viele Erfolge erritten. (© www.toffi-images.de)

Überraschungseffekt: Turniersituation versus Training

Diese Entspanntheit möchte Uta Gräf ins Viereck bringen. Und mit Le Noir ist ihr das schon gelungen. Bei Dandelion arbeitet sie noch daran.

Eigentlich hätten die Deutschen Meisterschaften in Balve sein großer Moment werden können. „Im Viereck hat sich Dandelion im letzten Jahr immer noch ablenken lassen. Das Training mit den Schildern hat ihm die Angst vor Bandenwerbung und anderen Dingen auf dem Turnier schon deutlich genommen. Deswegen bin ich recht optimistisch nach Balve gefahren“, erzählt Uta Gräf.

Doch ihr Plan ist nicht ganz aufgegangen. Eben weil „des Dandelsche“ im letzten Jahr noch nicht genügend Turnierroutine hatte, hat sie ihn in den drei Wochen vor Balve nicht nur in Mannheim, sondern auch noch in Unna an den Start gebracht. „Im vergangenen Jahr hatte er diese Menge von Prüfungen für seine Routine gebraucht.“

Doch in diesem Jahr, mit neuem Selbstbewusstein und mehr Vertrauen in seine Reiterin hätte ein Turnier weniger auch nicht geschadet. „In Balve musste ich das erste Mal im Viereck nicht bremsen, sondern drücken. Damit habe ich gar nicht gerechnet. Ich glaube, da war ich mehr durcheinander als Dandelion“, berichtet Uta Gräf.

Das erklärt auch, warum dem Paar im Grand Prix Special viele Fehler unterliefen. „Da passte nichts, aber dennoch war er nach jedem Fehler dann doch wieder bei mir und hat sich konzentriert. Ich glaube von den Ritten in Balve können wir beide viel lernen.“

Da ist sie wieder – die positive Grundeinstellung, das ständige Lernen wollen. „Man hat ja nie ausgelernt, gell?“, kommt es heiser und mit einem breiten Grinsen. Erfahrungen wollen gelebt sein, auf dem Turnier wie zuhause.

 

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