Narben bei Pferden: Die richtige Behandlung ist entscheidend

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Narben sind nicht nur Schönheitsfehler. (© Slawik)

Schlag-, Biss- oder Quetschwunden, Operationen oder offene eitrige Abszesse – schnell hat das Pferd eine blutende Wunde, im besten Fall verheilt sie zügig und ohne Komplikationen. Doch was kann man tun, wenn die entstandene Narbe stört?

Fängt man einmal an, über die vielen Verletzungen nachzudenken, die das eigene Pferd im Laufe seines Lebens gesammelt hat, wird schnell klar, dass Narben bei Pferden ein häufiges und sichtbares Ergebnis dieser Verletzungen sind. Als erstes denkt man an Operationen und Unfälle, dann kommen Schnitt-, Schürf- und Bisswunden hinzu – sind die Verletzungen schon länger her, erinnern nur noch Narben an sie. Diese werden das Pferd wohl kaum noch beeinträchtigen, oder? Das stimmt so nicht ganz.

Hat das Pferd eine offene Wunde, versucht der Körper diese so schnell wie möglich zu schließen, um das Eindringen von Keimen und Bakterien zu verhindern. „Es bildet sich Granulationsgewebe, das später von Bindegewebe durchwachsen wird und so Stabilität erhält“, erklärt Annette Boddenberg. Die physiologischen Eigenschaften des beschädigten Gewebes werden bei dieser Blitzaktion des Körpers nicht hergestellt. Das Narbengewebe ist weniger durchblutet und der Informationsfluss zwischen den einzelnen Zellen kann beeinträchtigt werden. „Der Körper baut das neue Gewebe in einem dichteren Zellverbund wieder auf, ähnlich der Kallusbildung bei einem Knochenbruch“, so die Physiotherapeutin. Dadurch soll die Stelle vor einer erneuten Verletzung geschützt werden. Die überschießende Zellreaktion lässt die Narben aber oftmals hart und wulstig werden, es bilden sich hypertrophe Narben.

Narben bei Pferden: Wunden versorgen

Um eine derart auffällige Narbenstruktur so gering wie möglich zu halten, kann der Besitzer selbst Erste Hilfe leisten. Er sollte die frische Verletzung mit fließendem Wasser ausspülen, um Schmutz und Bakteriendichte in der Wunde zu reduzieren. Bei kleinen oberflächlichen Verletzungen kann er selbst im Anschluss einen Rivanolverband anlegen, bei größeren Wunden muss der Tierarzt gerufen werden. „Ist die Wunde noch nicht älter als sechs bis acht Stunden, ist es sinnvoll, sie zu verschließen“, erklärt Dr. Klaus Weigand. Das gilt aber nur, wenn die Wunde nicht zu stark verschmutzt ist, sich kein Wundemphysem (Lufteinschluss) gebildet oder ein Stichkanal vorhanden ist. Zusammen mit einem Verband verhindert das zum einen ein erneutes Eindringen von Keimen und Bakterien. Zum anderen verläuft die Wundheilung schneller und reibungsloser, die entstehenden Narben bei Pferden sind kleiner. Die Wundränder liegen näher beieinander, es muss ein kleinerer Raum mit neuem Gewebe gefüllt werden.

Ob Entzündungshemmer oder Antibiotika gegeben werden sollten, ist vom Einzelfall abhängig, unbedingt achten sollte man auf einen ausreichenden Tetanusschutz. „Zusätzlich kann man versuchen, den Zug vom geschädigten Gewebe zu nehmen“, erklärt Dr. Klaus Weigand, „in Fesselbeugen zum Beispiel heilen Wunden sehr schlecht. Stellt man die Gliedmaße mit einem Keil ein wenig hoch, kann die Haut etwas entlastet werden und das Gewebe spannungsfreier heilen“. Man sollte dem Gewebe bei Verletzungen genügend Zeit geben zu regenerieren und die Pferde nur kontrolliert bewegen. Wie lange das Pferd nach einer Verletzung pausieren sollte, hängt von der Wunde, dem Alter und dem Allgemeinzustand des Pferdes ab.

Slawik

Wunden im Fesselbereich heilen nur schlecht. Hier hilft es, den Zug vom Gewebe zu nehmen. (© Slawik)

Das passiert im Gewebe

Die vier Phasen der Wundheilung:

  1. EXSUDATIVE PHASE: Blut und Wundsekret treten aus der Verletzung aus. Sie wird vom Körper prophylaktisch durch ein Blutkoagel, d.h. durch einen Blutpfropf, vor dem Eindringen neuer Keime und Bakterien geschützt. Die Blutgefäße werden geschlossen.
  2. RESORPTIVE PHASE: Fresszellen des körpereigenen Immunsystems entfernen Partikel, geronnenes Blut, Keime und Bakterien.
  3. GRANULATIONSPHASE: Der Gewebeverlust durch die Verletzung wird wieder aus- geglichen, Zellsprossen und Bindegewebe werden gebildet und Blutgefäße wachsen ein. Noch ist das Bindegewebe unorganisiert, es ist sogenanntes Granulationsgewebe.
  4. REPARATIVE PHASE: Die Wunde wird nach und nach kleiner, das Granulationsgewebe verdichtet sich, das Bindegewebe richtet sich physiologisch aus. Die in der Granulationsphase gebildeten Blutgefäße werden zurückgebildet, die Narbe verblasst.

Die Phasen sind nicht klar voneinander getrennt und gehen übergangslos ineinander über.

Weiter Versorgen: Narben bei Pferden

Physiotherapeutin Annette Boddenberg kennt noch weitere Möglichkeiten, um die Wundheilung zu verbessern: Beispielsweise metallisch beschichtete Wundgazen oder mineralisierte Wundgels. Sie überbrücken die beiden Wundränder und helfen die elektrischen Ströme und damit den Informationsaustausch zwischen den sich neu anordnenden Zellen zu gewährleisten. „Bei feuchten Wunden ist es durchaus sinnvoll, sie auch feucht zu verbinden“, erklärt sie. Die Feuchtigkeit hilft beim Informationsaustausch der Zellen, da sie genau wie metallisches Verbandsmaterial elektrische Spannungen leiten. Hierzu eignet sich zum Beispiel ein Verband mit reinem Aloeveragel.

Vermehrt zum Einsatz kommt wieder Honig, speziell Manuka Honig, als Wundauflage. Er besitzt stark heilungsfördernde und bakterizide Eigenschaften. Selbst infizierte Wunden heilen mit Manuka Honig teilweise reizfreier ab, als unter Antibiotika, wie in einer Studie der Universitätsklinik Bonn gezeigt wurde. Annette Boddenberg empfiehlt an Stellen, an denen das Aufbringen von Wundgazen und Verbänden nicht möglich ist, Hyaluron mit dem Vet Drop nicht nur auf, sondern auch in die Wunde einzubringen. „Auf Gut Ellerhoop, dem Reha-Zentrum für Pferde bei Hamburg, werden hiermit immer wieder – nicht nur im Bereich von Hautwunden, sondern auch bei der Unterstützung physiologisch hochwertiger tieferer Gewebsdefekte (Muskelfaserriss) – Erfolge erzielt“, so Annette Boddenberg. Der Vet Drop durchdringt die Haut mit Hilfe von moderner Sauerstofftechnologie ganz ohne Nadeln und transportiert die Wirkstoffe bis zu sechs Zentimeter tief in das Gewebe. Eine elektrische Magnetfelddecke und bestimmte Elektrotherapien könnten die Wundheilung zudem positiv beeinflussen, genauso wie Sauerstoff.

Störende Narben: Berührungsempfindlichkeit

„Grundsätzlich muss nicht jede Narbe stören, es kommt auf Größe, Lage und Beschaffenheit der Narbe an“, sagt Annette Boddenberg. Prinzipiell treten bei großen Narben häufiger Probleme auf als bei kleinen. Anzeichen für störende Narben ist zum Beispiel eine besondere Färbung. Beim Schimmel oder bei heller Haut sind sie oft rötlich, bei Pferden mit dunkler Fellfarbe erscheinen sie oft recht dunkel. Bei beiden Hauttypen können sie aber auch blasser als die umliegende Hautregion sein. Oft besteht entweder eine Berührungsempfindlichkeit – dabei können die Schmerzen so groß sein, dass das Pferd die Narbe gar nicht berühren lässt – oder eine Taubheit.

Die Gewebestrukturen sind im Bereich der Narbe deutlich verändert, es treten Schwellungen, Verhärtungen und Keloidbildungen auf. Bei Keloiden handelt es sich um ein genetisch vorbedingtes überschießendes Wachstum von nicht ausgereiften Zellen. Es entstehen häufig aufgeworfene, rissige, schuppige, das Hautniveau überragende Narben. Auch Gewebsdefekte mit Dellenbildungen oder Wassersammlungen (Ödeme) sind möglich. Es kann zu Temperaturunterschieden zum umliegenden Gewebe kommen. Da die Narbe weniger gut durchblutet ist, erscheint sie im Vergleich kühler.

Was ist gestört? Narben bei Pferden

Im Bereich von Gelenken werden Narben vor allem dann zum Störfaktor, wenn die Dehnfähigkeit des Gewebes nicht mehr gegeben ist und die unterschiedlichen Gewebsschichten aufgrund von Verklebungen nicht mehr ungehindert übereineinander gleiten können. Dadurch wird die Funktionalität und die Beweglichkeit des Gewebes unmittelbar eingeschränkt. Aber auch auf Zellebene kann es zu Störungen kommen. Jede Zellmembran besteht aus einer Eiweiß-Fett/Fett-Eiweiß-Doppelschicht, die im gesunden Zustand eine Spannung aufrecht erhält, die in Nerven-, Hirn- und Muskelzellen etwa bei -80 Millivolt liegt.

„So entsteht eine bedeutende Spannung zwischen Zellinnen- und Zellaußenraum, die eine differenzierte Informationsvermittlung in die Zelle und damit Leben überhaupt erst möglich macht“, erklärt Annette Boddenberg. Die Membrane steuern also die Zellfunktion. Narben können den Informationsfluss negativ beeinflussen, da sie durch den schnellen Aufbau nicht den physiologischen Eigenschaften der Nachbarzellen entsprechen und so den Fluss der elektrischen Spannungen zwischen den Membranen stören.

Probleme bei der Wundheilung

Slawik

Wildes Fleisch

Wie stark ein Pferd zur Bildung von wildem Fleisch neigt, ist individuell. Generell lässt sich aber sagen, dass Pferde weitaus häufiger unter diesem Zuwachs leiden als Menschen und unsere Haussäugetiere. Es handelt sich um einen Überschuss an wucherndem Granulationsgewebe, das keine Nervenzellen besitzt und regelmäßig entfernt werden muss, damit die Wunde verheilen kann. Tierärzte ätzen das Gewebe entweder weg oder tragen es mit einem Skalpell ab. Bei den Behandlungen muss der Tierarzt darauf achten, dass der kleine Rand, an dem gesundes Narbengewebe nachgewachsen ist, nicht beschädigt wird.

Narben bei Pferden: Therapien

„Ist eine Narbe beim Pferd erst einmal entstanden, sollte man sie regelmäßig eincremen und so elastisch halten“, rät Dr. Klaus Weigand. Da im Narbengewebe keine Drüsen vorhanden sind, ist es nur derbe elastisch und kann – wenn es nur dünn ausgeprägt ist – auch wieder einreißen. Deshalb ist es wichtig, dass man eine Creme oder ein Gel verwendet, das wirklich tief in das Gewebe eindringt und nicht nur außen einen dicken Film bildet.

Um die Beweglichkeit des Gewebes und den Informationsfluss zwischen den Zellen wieder zu gewährleisten, werden noch weitere Therapien praktiziert, deren Wirksamkeit allerdings nicht durch Studien belegt sind. So unterspritzen Tierärzte, Mediziner und Vollheilpraktiker gestörte Narben teilweise mit Amid Lokalanästhetika wie Mepivacain- oder Lidocain-, aber auch Procainhydrochlorid. Das Narbengewebe wird an dieser Stelle kurzzeitig betäubt. „Das Unterspritzen der Narben wirkt wie ein „elektronischer Neustart an der Zellmembran“, beschreibt Annette Boddenberg.

Positiver Einfluss durch Massagen

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Gerade Narben an Gelenken können zum Problemfall werden: Massagen halten sie geschmeidig (© St.GEORG)

Durch Akupunkt-Massagen nach Penzel (APM), bei der ein Ungleichgewicht in der energetischen Versorgung des Körpers durch eine spezielle Massagetechnik entlang der Meridiane ausgeglichen wird, lassen sich „enorme Erfolge an gestörten Narben erzielen“, so die Physiotherapeutin. Selbst Organfunktionen, die durch eine solche Narbe beeinflusst waren, würden hierdurch begünstigt. Zudem sollen Softlaserbehandlungen das Gewebe durchlässiger machen. Auch eine Akupunkturtherapie im umliegenden Gewebe kann den Energiefluss der von der Narbe gekreuzten Meridiane wieder herstellen.

Annette Boddenberg hat ebenso gute Erfahrungen mit Massagen von Narben gemacht. Dazu eignen sich elektrisch leitende Gels oder Cremes, zum Beispiel aus der EKG-Diagnostik oder der Elektrotherapie, sowie Propolis-Salbe, die mit entsprechenden Bindegewebs- und Massagetechniken die Dehnfähigkeit des Gewebes verbessern. Ein weiterer Wirkstoff aus der Natur kann ebenfalls Narbenstrukturen positiv beeinflussen: Homöopathen empfehlen auch Bellis perennis, das Gänseblümchen.

Sabine Brückner

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