„Das liegt am Gewitter“, „Bloß nicht wälzen lassen“ oder „Mash hilft!“ – wenn ein Pferd Kolik hat, sind gut gemeinte Ratschläge, was gegen die Kolik hilft, nicht weit. Einige Tipps sind wirklich hilfreich, andere nur Mythos. Wir haben mit Experten gesprochen, welche dieser typischen Aussagen bei einer Kolik beim Pferd zutreffen und welche Quatsch sind.
Ein Pferd mit Kolik darf sich nicht wälzen!
Denn wenn es sich wälzt, könnte sich der Darm verdrehen – so lautet immer wieder das Argument, wenn dieser Ratschlag gegeben wird. „Das ist ein Kolik-Mythos beim Pferd!“, entgegnet Tierärztin Dr. Annette Wyrwoll. „Man muss einleitend sagen, Kolik ist nicht Kolik! Unter den Begriff Kolik fallen schmerzhafte Prozesse im Bauchraum, das können 20 bis 30 verschiedene Probleme sein.“ Das Wälzen ist nur dann nicht sinnvoll, wenn sich das Pferd hektisch verhält und sich immer wieder regelrecht auf den Boden schmeißt. Dann wird der Kreislauf zu stark belastet. Ansonsten ist Wälzen vollkommen in Ordnung, bei einer beginnenden oder drohenden Verlagerung des Darms ist es sogar sinnvoll. In manchen Klinken wird es ganz bewusst betrieben, berichtet die Tierärztin: „Wälzen ist eine gute Methode, wenn sich der Darm in den Milz-Nieren-Raum verlagert hat. In Kliniken wird dies zum Teil ganz gezielt gemacht, indem das Pferd in Narkose gelegt und über den Rücken gedreht wird. Die Verlagerung löst sich dann ganz oft und das Pferd muss nicht mehr operiert werden.“
Hängerfahren hilft bei Kolik!
Mit schlimmsten Bauchschmerzen los in die Klinik und beim Ausladen ist plötzlich alles wieder gut, die Kolik-Symptome sind verschwunden. Das berichten Pferdebesitzer immer wieder. Sie glauben, dass das Rütteln bei der Fahrt und die Ausgleichsbewegungen des Pferdes dazu geführt haben, dass sich etwa eine Verstopfung gelöst hat. Kolik-Mythos oder Wahrheit? „Das habe ich in der Tat auch schon oft erlebt“, stimmt Tierärztin Dr. Annette Wyrwoll zu. „Ich hatte Pferde mit einer Verlagerung oder einer beginnenden Verdrehung des Dick- wie auch Dünndarms hier, die ich mit einer Spritze gegen Schmerzen und zur Entspannung versorgt und dann weiter in die Klinik geschickt habe. Als sie dort ankamen, war alles wieder in Ordnung.“ Die Tierärztin geht auch davon aus, dass es die Ausgleichsbewegungen des Pferdes sind sowie das Rütteln des Anhängers, die das Problem lösen. Auch die Aufregung könnte eine Rolle spielen, da diese das vegetative Nervensystem anregt. „Das bedeutet aber nicht, dass ich ohne Tierarzt das Pferd auf den Hänger stelle und umherfahre, damit sich eine Kolik löst“, warnt die Tierärztin, „das Pferd könnte eine schlimme Kolik haben und dann geht wertvolle Zeit durch das Umherfahren verloren.“
Saufen hilft, wenn das Pferd an Kolik leidet!
„Trinken kann durchaus helfen, vor allem bei Verstopfungskoliken. Denn durch die Zufuhr von Wasser wird der Magen-Darm-Trakt mit Flüssigkeit versorgt und der darin befindliche Nahrungsbrei verdünnt“, erklärt Sonja Weyrauch, Produktmanagerin bei Josera. Es ist also kein Mythos bei einem Pferd mit Kolik. Aber es gibt dabei ein entscheidendes Problem, wie Dr. Annette Wyrwoll aus ihrer langen Erfahrung als Tierärztin weiß: Viele Pferde saufen nicht mehr, wenn sie eine Kolik haben.
Das Wetter ist schuld!
Es gibt so Tage, da kommt scheinbar ein Kolikfall nach dem anderen in die Klinik. Auffällig dabei ist, dass das Wetter irgendwie nicht ganz so normal ist. „Wir sagen: Ein Koliker kommt selten allein. Und tatsächlich spielt das Wetter eine Rolle. Wenn das Wetter den Kreislauf belastet oder wenn es einen Wetter-Wechsel gibt, dann sind vermehrt Koliken zu beobachten“, stimmt Dr. Annette Wyrwoll dieser Aussage zu. „Immer, wenn es uns selber auch flau wird, wenn es zum Beispiel so drückend ist oder es einen plötzlichen Wetterwechsel gibt, dann belastet das unseren Kreislauf wie auch den Kreislauf des Pferdes.“
Auch Sonja Weyrauch kennt dieses Problem: „Tatsächlich gibt es Pferde, die auf Wetterumschwünge sensibel im Magen-Darm-Trakt reagieren. Z.B. bei Wetterumschwüngen von großer Hitze auf regnerische Kälte. Das verursacht Stress für den Stoffwechsel, der sich auch auf den Verdauungstrakt auswirken kann.“
Führen, führen, führen!
„Grundsätzlich fördert ruhige, mäßige Bewegung des Pferdes die Verdauung. Daher ist Schrittführen bei einer Kolik wichtig, um auch den verkrampften Verdauungstrakt langsam in Bewegung zu versetzen und die Darmtätigkeit zu aktivieren“, erklärt Sonja Weyrauch und auch aus Sicht von Dr. Annette Wyrwoll macht man bei einer Kolik mit Führen nie etwas verkehrt. Um das Pferd nicht zu überfordern und den Kreislauf aber in Schwung zu halten, rät sie zu Folgendem: „Ich führe eine halbe Stunde Schritt und stelle das Pferd dann wieder für eine halbe Stunde in die Box, um es zur Ruhe kommen zu lassen. Dadurch regt man den Kreislauf an und hat einen Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung.“
Wenn ein Pferd mit Kolik geäppelt hat, ist alles gut!
Das ist ein Kolik-Mythos beim Pferd, denn nur weil das Pferd äppelt, heißt das noch lange nicht, dass alles überstanden ist. „Es kann so sein, muss aber nicht. Wenn man sich vor Augen führt, dass das letzte Darmstück, wo die Pferdeäpfel geformt werden, zehn Meter lang ist, kann es durchaus sein, dass das Pferd äppelt, auch wenn weiter vorne im Darm eine Verstopfung vorliegt“, erklärt Dr. Annette Wyrwoll. Umgekehrt gilt aber: Wenn der Tierarzt rektal ertastet, dass kein Kot nachgeschoben wird, ist das verdächtig. „Wenn das Pferd stundenlang nicht äppelt, ist das schlecht.“
Der hat zu viel Stroh gefressen!
„An sich ist hochwertiges Stroh nicht nur ein ideales Einstreumaterial, sondern auch ein gutes, rohfaserreiches Futter“, so Sonja Weyrauch. Es enthält jedoch einen hohen Anteil an Lignin – eine Faser, die für das Pferd schwer verdaulich ist. „Daher können zu große Mengen an Stroh zu Verstopfungskoliken führen. Als Richtlinie gilt maximal 0,8kg Stroh pro 100kg Körpergewicht des Pferdes und Tag. Wer Stroh in sein Heu mischt, kann dies bis zu einem Drittel der Heuration tun.“ Tierärztin Dr. Annette Wyrwoll hält das Risiko für eine Kolik für Stroh für gering, wenn es sich um gutes Stroh handelt und das Pferd regelmäßig ausreichend Futter bekommt. „Dann nimmt ein Pferd in der Regel Stroh auch nur in gewissen Mengen auf. Anders sieht es aus, wenn das Pferd zu hungrig ist oder wenn es schlechte Zähne hat. In diesem Fall kann es das Stroh nicht mehr richtig zerkleinern und eine Verstopfung droht.“
Mash hilft gegen die Bauchschmerzen!
Dem warmen Futterbrei Mash wird viel gutes nachgesagt. Tatsächlich enthält Mash Inhaltsstoffe, die bei kurzzeitiger Gabe bei manchen Problemen helfen. „Ein klassisches Mash enthält in der Regel hohe Gehalte an Leinsamen und Weizenkleie, die verdauungsfördernde Eigenschaften haben. Die Schleimstoffe aus Leinsamen unterstützen z.B. die Schleimhautwände des Verdauungstrakts, zugleich liefern die Samen essentielle Omega-3-Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken. Weizenkleie ist ein Nebenprodukt der Weizenproduktion und (im Vergleich zum Korn) stärkereduziert und zuckerarm. Zugleich liefert es viel Rohfaser, ist leichtverdaulich und unterstützt die Motorik des Darms“, erklärt Sonja Weyrauch.
Bei einer Kolik sollte man aber kein Mash füttern! Da sind sich Tierärztin Dr. Annette Wyrwoll und Sonja Weyrauch einig. Dieser Kolik-Mythos kann fürs Pferd sogar riskant werden, denn das Pferd sollte in diesem Moment nichts weiter fressen. Aus Sicht von Dr. Annette Wyrwoll muss man auch nach einer Kolik aufpassen, einem Pferd nicht Mash in großen Mengen anzubieten. „Mash auf nüchternen Magen ist nicht gut, das liegt Pferden im Magen.“ Sinnvoller ist qualitativ hochwertiges Heu.
Leinöl löst bei einem Pferd mit Kolik die Verstopfung!
Werden Tierärzte zu einem Pferd mit Verstopfung gerufen, greifen sie oft zu einer Nasenschlundsonde. „Meistens ist es dann so, dass wir darüber dem Pferd eine Mischung aus Wasser und Paraffinöl eingeben. Paraffinöl wird nicht resorbiert, das heißt der Körper nimmt es nicht auf, sodass die Öl-Wasser-Mischung die Verstopfung auflöst.“ Leinöl hingegen wird resorbiert. Das hat zur Folge, dass der Körper das Öl bzw. eine Leinöl-Wasser-Mischung aufnehmen würde und diese gar nicht bei der Verstopfung ankommt.
Wärmendes Solarium hilft!
Wärme hilft gegen Bauchschmerzen, denn sie entspannt die Muskulatur und löst Verkrampfungen. Wir legen uns eine Wärmflasche oder Kirschkernkissen auf den Bauch, aber wie kann Wärme dem Pferd helfen? Über ein Solarium? „Das kann helfen, muss nicht“, glaubt Dr. Annette Wyrwoll. Sinnvoll kann aus ihrer Sicht ein Solarium aber sein, um den Kreislauf des Pferdes anzuregen. „Im Sommer spritzen wir bei Kolik gerne die Füße des Pferdes kalt ab, da sich dann die Blutgefäße zusammenziehen. Anschließend weiten sie sich durch die Wärme im Sommer wieder, dann spritzen wir die Beine wieder ab. Dieser Wechsel kurbelt den Kreislauf an“, erklärt sie. Entsprechend würde es auch im Winter möglich sein, durch einen Wechsel zwischen warmem Solarium und kalten Umgebungstemperaturen den Kreislauf in Schwung zu bringen.
Bauch massieren hilft
Das ist kein Kolik-Mythos, sondern Wahrheit! „Bei Krampfkoliken kann das helfen, das habe ich schon erlebt“, berichtet Dr. Annette Wyrwoll. Mit einem Strohbüschel in der Hand massiert sie den Bauch in kreisenden Bewegungen. „Bei Verdrehung oder Verlagerung des Darms hilft das allerdings nicht“, fügt sie hinzu.
Kräuter lindern Kolik-Krämpfe
Dagegen ist ein Kraut gewachsen, das kann man auch bei einer Kolik sagen. „Die ätherischen Öle von Kümmel und Anis regen z.B. die Sekretion von Verdauungssäften an – sind also verdauungsfördernd – und wirken krampflösend. Auch bei Verdauungsproblemen eingesetzter Fenchel bzw. dessen Öl wirkt verdauungsfördernd und kann Blähungen lindern. Der Einsatz von Kräutern hat also seine Berechtigung und kann bei Kolik-empfindlichen Pferden vorbeugend gefüttert werden. Auch bei leichten Gaskoliken gibt es Mischungen verschiedener ätherischer Kräuteröle, die diese lindern können – im Ernstfall sollte man aber immer den Tierarzt konsultieren“, rät Sonja Weyrauch.
Tierärzte wissen um die heilsame Wirkung von Kräutern und empfehlen je nach Fall spezielle Produkte. „Gewisse Kräuter können bei Krampfkoliken helfen. Sie sind zum Beispiel in Colosan oder Kaschmieder Balsam enthalten. Durch die enthaltenen Bitterstoffe wird zum einen die Darmmotorik angeregt, zum anderen die Darmdrüsen stimuliert, Verdauungssäfte zu produzieren“, erklärt Dr. Annette Wyrwoll.
Wie man Koliken vorbeugt und erkennt, welche Kolik-Arten es gibt und was der Tierarzt im Notfall unternimmt, lesen Sie in unserem ausführlichen Kolik-Artikel „Kolik beim Pferd: Alarmstufe rot“
0 Kommentare
Schreibe einen Kommentar