Welches Pferdefutter wir häufig kaufen und auf welche Verkaufs-Tricks wir hereinfallen

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Welches Pferdefutter wählen Pferdebesitzer und warum? Eine Bachelorarbeit hat das untersucht. (© www.slawik.com)

Die Inhaltsstoffe, die Verpackung, die Arbeitsleistung des Pferdes – auf der Suche nach dem besten Pferdefutter für unser Tier beeinflussen viele Faktoren unser Kaufverhalten. In seiner Bachelorarbeit deckt Till Henner Ramm auf, warum wir zu einem bestimmten Futter greifen und auf welche Tricks wir hereinfallen

Wer für sein Pferd das passende Pferdefutter kaufen möchte, hat die Qual der Wahl. Es gibt Mineralfutter und Mash von verschiedensten Anbietern, dazu noch Zusätze oder auch ganze Futtersäcke für bestimmte Pferdetypen oder Krankheiten. Das eine Futter ist in einem großen Papiersack verpackt, das andere in einem bunten Eimer und wieder ein anderes wirbt mit dem Versprechen, besonders gut für die Verdauung des Pferdes zu sein. Das eine Futter kostet 21 Euro, das daneben hat die gleichen Inhaltsstoffe, kostet aber 5 Euro mehr. Wie genau achten wir beim Kauf von Pferdefutter darauf, was in dem Futtersack steckt und was darauf abgedruckt ist?

Till Henner Ramm hat in seiner Bachelorarbeit an der Hochschule Osnabrück, Fachgebiet Tierernährung, das Konsumentenverhalten von Pferdehaltern beim Kauf von Ergänzungsfuttermitteln untersucht. „Ich interessiere mich sehr für Psychologie und habe mich immer wieder gefragt, warum Pferdehalter so viele Futtermittel für ihr Pferd kaufen, obwohl sie diese nicht unbedingt benötigen“, begründet der Student seine Wahl für dieses Thema. Betreut wurde seine Arbeit von Prof. Dr. Heiner Westendarp und Laura Bunk.

5115 Personen nahmen an seiner Online-Umfrage teil und beantworteten Fragen zur Arbeitsleistung der Pferde, zum Kaufverhalten, zur Kaufmotivation und zu verkaufspsychologischen Tricks. Die erste Fehleinschätzung der Pferdebesitzer zeigte sich gleich zu Beginn der Befragung.

Arbeitsleistung einschätzen – Grundlage für die Pferdefutter Menge

Um eine bedarfsgerechte Ration füttern zu können, muss man die Arbeitsleistung seines Pferdes kennen. In der Umfrage von Till Henner Ramm schätzten knapp 80 Prozent der Befragten die Arbeit ihres Pferdes als leicht bis mittel ein, wobei vor allem die aktiven Turnierteilnehmer mittlere Arbeit angaben (62 Prozent). „Aus der Literatur geht jedoch hervor, dass Pferde von Freizeitreitern im Erhaltungsbedarf eingeordnet werden müssten. Pferdebesitzer neigen dazu, die Leistung ihres Pferdes zu überschätzen und eine zu energiereiche Ration zu füttern“, erklärt Till Henner Ramm.

Einen weiteren Grund für die häufige Wahl des Leistungsniveaus leichte und mittlere Arbeit sieht er in der kognitiven Verzerrung. „Das ist ein Sammelbegriff für systematische Denk- und Wahrnehmungsfehler, die menschliche Entscheidungen beeinflussen. Die sogenannte Tendenz zur Mitte ist eine solche kognitive Verzerrung. Die Befragten tendierten bei der Frage nach der Arbeitsleistung der Pferde dazu, sich für die Mitte (= leichte und mittlere Arbeit) als für die Extrema (=Erhaltungsbedarf und sehr schwere Arbeit) zu entscheiden.“

Dieses Pferdefutter wird am häufigsten gekauft

89 Prozent der Befragten kauften Mineralfutter, gefolgt von Mash (61 Prozent) und Ölen (54 Prozent) (Mehrfachantworten möglich). Als Kaufkriterium für Ergänzungsfuttermittel nannten die Befragten am häufigsten die Qualität der Inhaltsstoffe (85 Prozent), gefolgt von der Akzeptanz, also ob ihr Pferd das Futter gerne frisst (66 Prozent). Weniger wichtig waren ihnen die Marke (19 Prozent) und eine ansprechende Verpackung (2 Prozent).

So viel Geld gaben die Befragten für Pferdefutter aus

Mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) kaufte monatlich Ergänzungsfutter für ihr Pferd. Dabei gaben manche Pferdehalter bis zu 149 Euro pro Monat und Pferd aus. Die Höhe des Nettoeinkommens hatte keinen Einfluss auf die monatlichen Ausgaben. Das heißt mit steigendem Einkommen erhöhten sich die Ausgaben für Ergänzungsfuttermittel nicht. Vielmehr waren die Ausgaben im unteren Einkommensbereich proportional deutlich höher als im oberen Einkommenssegment. „Ein möglicher Grund dafür ist eine Verschiebung der Prioritäten, die aus der starken emotionalen Bindung zum Pferd resultiert. Dadurch werden Ausgaben im Pferdebereich zuerst gedeckt werden und andere Kostenträger, wie z.B. private Lebenshaltungskosten, in den Hintergrund treten“, so Till Henner Ramm.

Im Test: Für welches Pferdefutter entscheiden sich die Befragten?

Die Befragten sollten sich entscheiden, welches dieser drei Pferdefutter sie kaufen würden.

Beim Präferenztest sollten sich die Befragten zwischen drei Ergänzungsfuttermitteln entscheiden. Alle drei Pferdefutter wiesen eine vergleichbare Zusammensetzung und Füllmenge auf. Ein Futter war ein bekanntes Markenprodukt, die beiden anderen waren fiktive Produkte. Entgegen der vorherigen Antworten, dass die Marke weniger wichtig sei und der Preis eine Rolle spiele, entschieden sich nun in dem Test 64 Prozent der Befragten für das Markenprodukt für 21,50 Euro und 10 Prozent für das teuerste Produkt für 24,99 Euro. 26 Prozent entschieden sich für das günstigste Produkt für 17,99 Euro.

Bei den fiktiven Produkten kam bei einem Futtersack die Verkaufstechnik Storytelling zum Einsatz, bei dem anderen nicht. „Storytelling ist eine Methode, bei der die Fakten zu einem Produkt nicht einfach nur aufgelistet, sondern in eine mitreißende Geschichte verpackt werden“, erklärt Till Henner Ramm. „In diesem Fall waren es galoppierende Pferde auf einem Pferdemüsli. Da Geschichten helfen, komplexe Sachverhalte einfach und spannend darzustellen, soll das Storytelling den Konsumenten über Emotionen mitreißen und Bedürfnisse wecken. Er soll sich mit dem Unternehmen identifizieren und durch die daraus resultierenden kognitiven Verzerrungen in seiner Kaufentscheidung beeinflusst werden.“

Obwohl Storytelling die Verkaufsentscheidung bei den beiden fiktiven Produkten nicht beeinflusste, glaubt Till Henner Ramm, dass diese Verkaufsmethode auch bei Pferdebesitzern wirkt. „Zählt man alle drei Produkte zusammen, entschieden sich etwa drei Viertel der Käufer für ein Produkt mit Storytelling“, erklärt er. „Allerdings müsste man nun noch herausfiltern, welche Rolle dabei die Marke und welche das Storytelling gespielt haben.“

Warum Markenprodukte im Vorteil sind

Till Henner Ramm weiß, warum wir oft zu Markenprodukten greifen – auch wenn es uns nicht immer so bewusst ist. „Markenprodukte müssen vom Konsumenten nicht lange analysiert werden, da die bisherigen Erfahrungen zu der Marke abgerufen werden können. Somit bieten Marken dem Kunden Orientierung und erleichtern die Kaufentscheidung. Hat der Kunde positive Erfahrungen mit dem Markenprodukt gesammelt, werden diese auf andere Produkte der Marke übertragen und bevorzugt gekauft. Dies nennt man  „Halo-Effekt“.

Zudem neigen Menschen dazu, Veränderungen des aktuellen Zustands zu vermeiden (Status-Quo-Verzerrung). Aufgrund des gewonnenen Vertrauens erfordert es für den Kunden weniger kognitiven Aufwand, bei einer vertrauten Marke zu bleiben, als diese zu wechseln. Diese kognitiven Verzerrungen, der Halo-Effekt und die Status-Quo-Verzerrung, erklären also, warum die Befragten das Markenprodukt bevorzugen.“

Auf diese Tricks fallen wir beim Kauf von Pferdefutter herein

67 Prozent der Befragten gaben an, verkaufspsychologische Techniken zu kennen. Aber nur 7 Prozent der Befragten konnten ein gutes Beispiel nennen. Ein gutes Beispiel war z.B. der Ankereffekt. Dieser besagt, dass Menschen dazu neigen, sich bei Entscheidungen stark von einem ersten, oft zufällig gesetzten Wert (dem Anker) beeinflussen zu lassen, auch wenn dieser für die Entscheidung irrelevant ist. Als Anker dienen beispielsweise Rabatte in Form von Streichpreisen. Dabei wird der ursprüngliche Preis durchgestrichen und neben dem reduzierten Preis angezeigt.

Die Mehrheit der Befragten (69 Prozent) konnte nur schlechte Beispiele für Verkaufstechniken nennen, wie „unterstützt den Fellwechsel“. Die restlichen 34 Prozent waren in der Lage, eine Verkaufstechnik zu beschreiben, konnten sie aber nicht explizit benennen. Dazu zählte beispielsweise die Antwort „nur noch wenig verfügbar“ (akzeptables Beispiel) für das Prinzip der Knappheit. „Grund dafür, dass die Befragten überwiegend schlechte Beispiele für Verkaufstechniken anführten, obwohl sie zuvor angaben, dass sie Verkaufstechniken kennen, kann der so genannte Dunning-Kruger Effekt sein. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Menschen mit geringem Fachwissen in einem Bereich dazu neigen, ihre Kompetenzen zu überschätzen“, erklärt Till Henner Ramm.

Fazit

Festzuhalten bleibt, dass Pferdehalter beim Kauf von Ergänzungsfuttermitteln zahlreichen kognitiven Verzerrungen ausgesetzt sind. Diese sind im menschlichen Verhalten allgegenwärtig. Von Bedeutung ist, wie man mit ihnen umgeht und dass man ein Bewusstsein dafür schafft, dass das menschliche Verhalten anfällig für systematische Denkfehler ist. „Es geht in dieser Studie nicht darum, Pferdebesitzer vorzuführen. Sondern zu zeigen, dass wir alle anfällig für kognitive Verzerrungen sind“, erklärt Till Henner Ramm.“ Ich merke selber seit dieser Studie, dass ich mich beim Einkaufen frage: Benötige ich das wirklich? Oder bin ich gerade anfällig für eine der Verkaufstechniken zu?“

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Kerstin WackermannRedakteurin

Die Redakteurin hinter den großen Ratgeberthemen. Expertin für Pferdemedizin, von Atemweg bis Zysten. Gut vernetzt mit Tierärztinnen und Tierärzten, Universitäten, Hochschulen, Experten und Sachverständigen ist sie die Fachjournalistin, die sich auch seit mehr als 20 Jahren beim St.GEORG mit Pferdehaltungsthemen intensiv auseinandergesetzt und dazu recherchiert hat.

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