Zellen sind die kleinsten und gleichzeitig die wichtigsten Einheiten im Organismus. Ohne Zellen geht nichts. Sie sind die Bausteine jedes Organs, leiten Informationen weiter, produzieren Energie und sorgen dafür, dass sich Muskeln zusammenziehen können. Werden sie zu sehr gestört, sind Krankheiten die Folge. Inzwischen gibt es auch viele Ansätze für Zelltherapien bei Pferden.
Jede Sekunde werden in unserem Körper Millionen von Zellen neu gebildet und ebenso viele sterben. Insgesamt tragen wir mehr als 100.000 Milliarden Zellen in uns, die wie Mini-Kraftwerke Energie erzeugen, Stoffe aufnehmen, umbauen und wieder freisetzen. Zellen wachsen, teilen sich und reagieren auf Reize der Umgebung. Ein ständiges Hin und Her im Körper, ein Akkordumbau von Stoffen, die in den Körper gelangen, sowie ein Umbauprozess auch in manchen Zellen selbst, denn Zellen passen sich ihrer Arbeit an.
Zellen bekommen eine bestimmte Aufgabe zugewiesen und spezialisieren sich darauf, indem sie Form, Größe und Aufbau auf ihr Einsatzgebiet abstimmen und sich mit Gleichartigen zu einem Zellverband, z.B. Muskel- oder Nervengewebe, zusammenschließen. So können sie den gesamten Organismus beeinflussen und das bei Menschen wie bei Pferden.
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Viele Zellen mit unterschiedlichen Funktionen
Zellen sind die Basis für alle Funktionen im Körper und existieren in unterschiedlichen Ausführungen. „Man muss sich das vorstellen wie beim Auto“, veranschaulicht Prof. Dr. Karsten Feige von der Tierärztlichen Hochschule Hannover die verschiedenen Formen von Zellen. „Die Grundfunktion ist dieselbe: Das Auto soll fahren. Aber Größe, Form, Motorisierung usw. sind verschieden, je nachdem ob man es als Transportfahrzeug oder als Sportwagen nutzen möchte. Ähnlich ist das bei den Zellen: Die Grundfunktionen sind dieselben, aber es gibt eben ganz verschiedene Aufgaben, die von vielen verschiedenen Zellen erledigt werden müssen.“
Im Körper tummeln sich Knochen-, Blut-, Muskel-, Bindegewebs-, Sinnes-, Drüsen-, Nerven- und Knorpelzellen, außerdem je nach Geschlecht noch Samen- oder Eizellen. Die Grundausstattung ist bei allen Zellen gleich. Alle sind aus einer einzigen befruchteten Eizelle entstanden und besitzen den gleichen genetischen Bauplan, die gleiche DNA, die im Zellkern steckt. Wie die einzelnen Zellen jedoch aussehen, hängt ganz davon ab was ihre Aufgabe im Körper ist.
Auch ihre Lebensdauer wird durch ihr Einsatzgebiet bestimmt. Bei Blut- und Hautzellen ist die Lebensdauer sehr kurz. Diese Zellen werden ständig neu gebildet. Muskel- und Nervenzellen hingegen haben eine sehr lange Lebensdauer.
Energielieferant Mitochondrien
Wie viele Leistung eine Zelle erbringt, hängt von den Mitochondrien ab. Sie erzeugen den größten Teil der Energie, die für Biosynthese, Bewegung, Wahrnehmung oder Transport nötig ist. Zellen, die viel Energie benötigen, wie zum Beispiel Muskelzellen, haben viele Mitochondrien. Knorpelzellen hingegen weisen nur wenige Mitochondrien auf, da sie nur wenig Stoffwechsel betreiben.
Der „Treibstoff “ muss von außen zugeführt werden, zum Beispiel in Form von Nährstoffen. Damit sie ins Innere der Zelle gelangen, müssen sie die äußere Hülle, die Zellmembran passieren. Diese Membran ist durchlässig und gewährleistet den lebensnotwendigen Austausch mit der Umgebung, den Zellstoffwechsel. Damit dies funktioniert, ist eine gewisse Zellspannung nötig. Gemeint ist das elektrische Potenzial an der Zellmembran. Stimmt hier alles, können bestimmte Stoffe sowohl mit als auch ohne Energie hin- und hertransportiert werden. „Abgase“ wie Kohlendioxid, die in einer Zelle bei der Energiegewinnung entstehen, müssen aus der Zelle hinaus transportiert werden.
Um die Zelle herum befindet sich die Matrix, die bei vielen tierischen Zellen aus Kollagen besteht. Die Matrix kann das Verhalten der Zelle und sogar die Aktivität der Gene im Zellkern beeinflussen. Wahrscheinlich wird diese Kommunikation über mechanische und chemische Signalwege geführt. Ein Ansatz für manche Therapien in der Veterinärmedizin ist daher, die Matrix zu beeinflussen.
Stammzelle ist nicht gleich Stammzelle
Stammzellen sind etwas Besonderes. Sie haben sich noch nicht auf eine Aufgabe im Körper spezialisiert, sind quasi noch offen für viele Einsatzgebiete. Daher werden sie unter anderem bei Sehnenschäden beim Pferd eingesetzt. Aus den Stammzellen bildet sich Sehnengewebe, das – anders als vernarbtes Gewebe – der Sehnenstruktur ihre ursprüngliche Elastizität und damit Funktionalität zurück gibt.
Manchmal tragen Stammzellen einen Namen vorweg, der beim Pferdebesitzer Fragen aufwirft. Bislang hat man oft sogenannte „mesenchymale Stammzellen“ aus dem Knochenmark oder anderem Gewebe genommen. Diese sind eine Mischung aus spezialisierten, Nicht-Stammzellen und „echten“ Stammzellen. Sie werden entnommen, im Labor gezüchtet und etwa drei Wochen später an die erkrankte Stelle gespritzt.
Vielversprechend für die Zelltherapie
Je „jünger“ eine Stammzelle ist, desto mehr Potenzial besitzt sie, sich an ihren neuen Einsatzort anzupassen. Diese Stammzelle nennt man „totipotent“, weil sie das „ganze Vermögen“ besitzt. Schon ein paar Tage nach der Befruchtung der Eizelle besitzen die Zellen diese Fähigkeit nicht mehr. Sie werden nun „pluripotente“ oder auch „embryonale“ Stammzellen genannt. Aus diesen kann sich zwar kein ganzes Lebewesen mehr bilden, jedoch jedes menschliche bzw. tierische Gewebe. Deswegen sind diese Stammzellen vielversprechend für die Zelltherapien.
Die Gewinnung aus dem Embryo ist jedoch schwierig. Neue Hoffnung setzen Mediziner deswegen in die sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen. Hierfür werden aus der Haut Zellen entnommen, die im Labor zu pluripotenten Stammzellen reprogrammiert werden. Damit dieses Verfahren als unbedenklich eingestuft werden kann, sind noch Tests nötig.
Die Therapie mit „multipotenten Stammzellen“ (adulte Stammzellen) ist da schon einen Schritt weiter, auch wenn multipotente Zellen sich nicht mehr zu jeder Körperzelle ausbilden können. Manche Kliniken wenden dieses Verfahren bereits an. Die multipotenten Zellen trägt jedes Pferd nach der Geburt in sich, sie werden über Fettabsaugung gewonnen. Um die Fettzellen herum befinden sich kleinste Blutgefäße, in deren Wänden die multipotenten Stammzellen sitzen. Im Labor werden diese Zellen isoliert, konzentriert und stehen nach zwei Stunden zur Verfügung.
Kranke Zellen – Probleme von Aussen
„Zellen erkranken meist durch irgendwelche äußeren Einflüsse“, erklärt Prof. Dr. Karsten Feige. Die Liste möglicher Störfaktoren ist lang. „Das kann beispielsweise ein Virus sein, das die Zelle zur Vermehrung benutzt, z. B. Herpesviren, die sich in den Zellen des Nervengewebes vermehren. Das können auch traumatische Einflüsse sein, die mit Verletzungen des Haut-, Drüsen- und Muskelgewebes einhergehen. Toxine sind ebenfalls bekannte Zellgifte. Bei Pferden sind das beispielsweise die Inhaltsstoffe des Jakobskreuzkrautes. Sie können die Leberzellen nachhaltig schädigen.
Auch Medikamente können sich negativ auf die Zellgesundheit auswirken. So schädigt z. B. das Antibiotikum Gentamicin unter Umständen Zellen der Niere. Manche Fehler kann der Körper erkennen und reparieren, ohne dass sie auffallen bzw. zu Krankheiten führen, andere Schädigungen sind zu schwerwiegend. Wenn Körperzellen ihre gesunde Funktion verlieren, sterben sie meistens ab – entweder bauen sie sich selbst ab oder sie müssen vom Körper entsorgt werden. Verändern sich Zellen so, dass sie krankhaft entarten, führt dies zu Krebs.
„Jede Krankheit, die auftritt, hat in irgendeiner Form einen zellschädigenden Hintergrund“, berichtet Prof. Karsten Feige. „Man kann sich das so vorstellen: Wenn eine Zelle geschädigt wird, kann sie ihre Aufgabe nicht mehr wahrnehmen. Werden in einem Organ gleichzeitig viele Zellen geschädigt, funktioniert das ganze Organ nicht mehr und es entsteht eine Krankheit.“
Folge von zerstörten Zellen: Atypische Weidemyopathie
An der Tierärztlichen Hochschule Hannover wird viel zum Thema „Atypische Myopathie“ geforscht. Eine Krankheit, die bei Weidepferden auftritt und zu einer Muskelschädigung führt. An diesem Beispiel erklärt der Tierarzt, wie Zellen geschädigt werden und wie die kaputten Zellen wiederum den gesamten Organismus des Pferdes schwer belasten: „Die Atypische Myopathie ist die Folge einer Schädigung bestimmter Muskelzellen. Verursacht wird die Krankheit durch eine toxische Substanz, die im Ahornsamen vorkommt und von Pferden auf der Weide aufgenommen wird. Das Pferd stirbt aber letztlich an Nierenversagen, weil die zerstörten Muskelzellen Myoglobin freisetzen. Myoglobin schädigt die Nieren.“ Man sieht: Störungen der kleinsten Einheiten können dramatische Folgen haben.
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