Gabriele Pochhammer über das Imageproblem des Pferdesports

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Der Pferdesport kämpft um sein Ansehen in der Öffentlichkeit. Das liegt nicht nur  vernunft-resistenten sogenannten Tierschützern, das liegt auch an den Reitern selbst und manchmal auch am Dachverband, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).

„Man sollte den Idioten nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken“, sagte der niederländischen Springreiter Marc Houtzager über die halbnackten Flitzer, die während seines Rittes bei der Springreiter-EM in Rotterdam plötzlich über den Platz liefen. Bemerkenswert cool brachte er seinen Parcours zu Ende, die Störer waren schnell eingefangen und abgeführt und später, es wie in sozialen Medien heißt, nach einem Bußgeld wieder freigelassen.

„Turniere sind Missbrauch“, stand auf einem Plakat. „Stoppt die Versklavung der Pferde“ hatte sich eine leichtbekleidete Protestlerin auf den Rücken geschrieben. Man kann sie ignorieren und als Spinner abtun, mit Potenzial zu gefährlichen Aktionen.

Nur ein paar Spinner?

Aber man kann auch darüber nachdenken, warum eine wachsende Zahl von Menschen aus einer bestimmten Ecke, ich nenne sie mal sogenannte Tierschützer, den Pferdesport aufs Korn genommen hat, nicht nur in Deutschland. Zum Teil gerieren sie sich als Veganer, die nichts zu sich nehmen, was von Tieren stammt. Die sind bei Pferdesportlern an der falschen Adresse, wir reiten unsere Pferde, aber wir essen sie nicht. Und Pferde fressen bekanntlich lieber Heu und Hafer als Rindersteak und Eisbein.

Radikale „Tierrechtler“, deren militanteste Vertreter sich in der Organisation PETA zusammengeschlossen haben, lehnen es ab, Tiere zu irgendetwas zu „benutzen“: sie zu reiten, vor eine Kutsche zu spannen oder auch nur sich von ihnen unterhalten zu lassen. Letzteres tun natürlich viele Menschen, nicht nur die Reiter selbst, die Freude und Erfüllung in der Beschäftigung mit dem schönsten, edelsten und meist sanftmütigsten aller Wesen finden, sondern auch diejenigen, die den Sportlern gerne dabei zuschauen. Das werden leider immer weniger.

Von einigen Top-Events wie Aachen oder dem Hamburger Derby abgesehen, klagen die meisten Veranstalter über Zuschauerrückgang. In Rotterdam blieben selbst bei den großen Entscheidungen ganze Zuschauerreihen leer, und das in den Niederlanden, einem der großen europäischen Pferdesportländer.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten haben in den letzten Jahren kontinuierlich die Übertragungszeiten runtergefahren, auch weil die Einschaltquoten sanken. Die Freaks können sich über Clip My Horse freuen, wo nahezu alles übertragen wird, was den Pferdemenschen interessiert.

Schlechte Nachricht ist keine gute Nachricht

Aber die breite Öffentlichkeit erfährt über Pferdsport vor allem etwas, wenn gedopt, gebarrt, blutig gestochen, sexuell missbraucht oder sonst irgendetwas Fürchterliches angestellt wird. Man kann das damit abtun, das für die Medien, beziehungsweise ihre Kunden, Leser, Hörer, Zuschauer, die schlechte Nachricht eine gute ist.

Man kann sich aber auch fragen, was der Sport selbst dazu beiträgt, um sein Image zu ruinieren. Denn es sind nicht die bösen Medien, die berichten, es sind diejenigen, die ihnen den Stoff für ihre Skandalgeschichten liefern.

Die „Blutaffäre“ der britischen Olympiasiegerin Charlotte Dujardin bei der EM Rotterdam – blutiger Sporen, offene Wunde an der Seite ihres Pferdes – erregte mehr Aufsehen, als wenn es einem Nobody passiert wäre. Die Stars sollen wissen, dass ihnen nicht nur zugejubelt wird, sondern dass sie auch kritischer beobachtet werden.

Das Wort „Blut“ zu vermeiden und durch die harmloser klingende Bezeichnung „Sporenverletzung“ zu ersetzen, wie in englischen Medien diskutiert, ist lächerlich. Dazu muss man die Menschen schon für sehr blöd halten.

Die Antwort ist viel einfacher: alles unterlassen, was den Sport an den Pranger stellt. Sporen nehmen, die nicht verletzen, nicht so heftig mit der Peitsche zuschlagen, dass Striemen auf dem Fell bleiben und so viel Anstand zu besitzen, keine verbotenen Aktionen zu fahren, wenn keiner zuguckt. Kann doch eigentlich nicht so schwer sein.

Glaubwürdigkeit?

Auch ein Verband, der sich hinter juristischen Formeln versteckt, um einen verurteilten Sexualstraftäter ins deutsche Championatsaufgebot zu hieven, wie bei einer EM dieses Jahr geschehen (Siehe SG 10/19), verabschiedet sich von seiner Glaubwürdigkeit. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN), die ja immer wieder beteuert, konsequent gegen Sexualstraftäter vorzugehen, verstößt gegen ihre eigenen Maximen: Ein Reiter kann auch bei entsprechenden Leistungen aus dem Kader ausgeschlossen werden, „wenn er gegen das Ansehen des Pferdesports verstößt“. Sexueller Missbrauch reicht da offensichtlich nicht.

Natürlich muss ein Straftäter, wenn die Strafe abgesessen ist, wieder am „gesellschaftlichen Leben“, teilnehmen dürfen. Aber muss es für einen Vorbestraften gleich ein repräsentativer Auftritt in deutschen Farben bei einem Championat sein? Am gesellschaftlichen Leben kann man auch anders teilnehmen, wie wär’s mit ehrenamtlicher Sozialarbeit?

Klare Aufgabe

Auf dem Spiel steht die gesellschaftliche Akzeptanz des Pferdesports. Daran hängt nicht nur das Überleben des Sports und damit verbunden der Pferdezucht, daran hängen auch schlappe 3,2 Millionen Euro, die jährlich aus Steuerkassen in die Verbandszentrale nach Warendorf fließen, bemessen an der Zahl der Medaillen. Dieses Geld muss sich der Sport immer wieder neu verdienen, indem er zeigt, wie man mit Pferden umgeht, und zwar so gut und unangreifbar, dass über die Flitzer von Rotterdam nur noch gelacht wird.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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  1. Horst Müller

    Sport ist keine Privatsache, sondern vollzieht sich im gesellschaftlichen Kontext und eine freie Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass jemand couragiert kritische Öffentlichkeit herstellt.

  2. Angelika Wesemann

    Ja, gut geschrieben Fr. Pochhammer.
    Ich könnte seitenweise dazu schreiben, bin Bereiterin FN, wahr immer sehr glücklich, mich so nennen zu können.
    Ich glaube, diese ganze Misere hat vor allem mit Geld zu tun.
    Ich habe mich viel an der spanischen Hofreitschule orientiert.
    Mir viel neulich ein Ausspruch von Mahathma Gandhi ein, “ das Christentum wäre gut, wenn die Christen nicht wären “
    Das Reiten ist gut ( das höchste Glück der Erde… ) wenn die Reiter nicht wären, könnte man sagen.
    Mit am schlimmsten fand ich immer, wenn Pferde, die jahrelang dem Menschen “ gedient “ haben, dann auf einmal, wenn sie nicht mehr können, zu alt zum reiten sind usw. einfach “ weg kommen, entsorgt werden“ .
    Wie gesagt, ich könnte ein Buch darüber schreiben…


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